Bittersweet Moon
sein weißer Seidenschal wehte theatralisch
und dandyhaft hinter ihm. Auch ich musste weg. Meine Gesangslehrerin wartete in
ihrem Raum auf mich, um noch ein paar Töne mit mir zu singen. Es war kurz vor
halb Sieben und wir hatten noch viel Zeit. Ich hasste es, wenn ich zu früh vor
dem Auftritt hinter der Bühne wartete. Da war Lampenfieber vorprogrammiert und
mit der Erfahrung lernte ich solche unnötigen Situationen zu vermeiden.
Vorsichtig schritt ich leise summend die Treppen hoch und hielt meinen langen
Rock mit einer Hand vom Boden, um nicht drauf zu treten. Im ersten Stock
angekommen öffnete sich plötzlich die schwere gläserne Tür vor mir und ich
erblickte Max, der mir die Tür höflich aufhielt. "Hallo Diana",
grüßte er mich förmlich und ich merkte sofort, dass er müde aussah.
"Hallo
Max", erwiderte ich den Gruß mit wachsendem Unbehagen über dieses
unerwartete Wiedersehen.
"Du
siehst gut aus", sagte Max trocken.
"Danke",
schaute ich ihn verblüfft an. Komplimente waren das Letzte, was ich jetzt von
ihm erwartete. Er wirkte nicht nur müde, sondern auch gestresst, stellte ich
fest. Wahrscheinlich vergrub er sich nach unserem folgenschweren Gespräch noch
tiefer in die Arbeit, um die Trennung besser zu ertragen.
"Wie
geht es dir?", fragte ich vorsichtig.
"In
Ordnung. Ich habe viel zu tun. Heute bin ich hauptsächlich hier, um Marco über
die Finger zu schauen, er ist wirklich gut", antwortete Max schnell.
Marco
und er waren immer schon Konkurrenten, obwohl sie gute Freunde waren. Aber ich
vermutete es, dass er Marco als Ausrede benutzte, um nicht zugeben zu müssen,
dass er vielleicht doch wegen mir hierher gekommen ist. Als er so vor mir stand
und immer noch die Tür festhielt, tat er mir plötzlich leid. Wir redeten
miteinander wie zwei flüchtige Bekannte und ich ahnte es nur, wie sehr ich ihn
mit meinem Betrug verletzte. Wir verbrachten immerhin mehr als ein Jahr
gemeinsam, das durfte ich nicht vergessen. Auch wenn unsere Beziehung nicht die
große Liebe war, teilten wir eine Weile unser Leben miteinander und es tat mir
fast weh, dass es nun vorbei und aus war. Ich betrachtete seine vertrauten,
ernsten Gesichtszüge, seine klaren, grauen Augen, seine schmalen Lippen, die
stark zusammengepresst noch enger wirkten, sein lockiges, braunes Haar, das er
sich mir zuliebe länger wachsen ließ… Die schwarzen Cordhosen, die er trug,
schienen ihm zu weit geworden zu sein. Wahrscheinlich hatte er abgenommen und
dadurch wirkte er noch größer und schlanker als er tatsächlich war. Er ist
größer als Robin , stellte ich fest. Doch im Vergleich mit Robins
sportlichem Körperbau und erotischer Ausstrahlung wirkte er fast knabenhaft und
unerwachsen, obwohl er nur sechs Jahre jünger als Robin war. In einem
unerwarteten Schwächegefühl bedauerte ich einige Augenblicke lang, dass ich Max
wegen Robin so schnell aufgegeben hatte.
"Und
du? Bist du glücklich?" brachte mich Max' Frage wieder zurück in das
Jetzt.
"Ja,
ich bin sehr glücklich", antwortete ich ohne zu zögern und beim Gedanken
an Robin verschwand sofort der leise Zweifel an der Richtigkeit meiner
Entscheidung. Max erschien mir wieder wie ein Fremder, der mir nie richtig nahe
gekommen ist.
"Du
bist also mit deinem Neuen zusammen?" erkundigte sich Max weiter und aus
den Mundwinkeln heraus erzwang er sich ein saueres Lächeln.
"Max,
ich denke das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, ich muss bald auf die
Bühne und Frau Spencer wartet auf mich. Du kannst mich morgen anrufen und dann
können wir reden. Du wolltest noch deine Sachen abholen, ich habe sie dir schon
in einen Karton eingepackt", versuchte ich das Gespräch zu beenden, bevor
es zu unangenehm und zu schwierig wurde.
"Ja,
verstehe. Ich hole die Sachen irgendwann ab. Wie ich es sehe, gibt es nichts
mehr zu besprechen, du hast deine Entscheidung längst getroffen, sonst hättest
du es nicht so eilig meine Sachen einzupacken". Max klang deprimiert und
ich begriff, dass sein Besuch heute ein hoffnungsvoller Versuch war, mich eventuell
zurückerobern zu können. Ich seufzte und fasste ihn am Unterarm an: "Max,
es tut mir leid, ich wollte dir nicht weh tun, bitte glaube es mir! Es ist
einfach passiert, das könnte dir ebenfalls passieren."
"Mir
würde das nicht passieren können, ich meinte es ernst mit dir", wich mir
Max aus, als ob meine Berührung ihm Schmerzen zugefügt hätte. "Aber
wahrscheinlich bildete ich mir nur ein, dass du die Richtige für mich bist. Du
erscheinst mir
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