Bittersweet Moon
unterdrücken und irgendwann später geben wir dem
Partner unbewusst die Schuld daran, weil wir aus Loyalität und Pflichtgefühl
auf etwas verzichtet haben, was uns glücklich gemacht, oder in der Entwicklung
weiter gebracht hätte. Und der Partner lebt die ganze Zeit mit einem mehr oder
weniger geahnten Gefühl, dass er uns nicht alles geben konnte, dass er uns
nicht ganz glücklich gemacht hat, verstehst du was ich meine?", wendete
sich Robin wieder zu mir und sprang von der Fensterbank herunter. „Stell dir
vor, wenn ich fünfzig bin, werde ich in einem heftigen Streit zu Claire sagen :
" Seit über fünfzehn Jahren habe ich keine Liebeslieder mehr
geschrieben, weil du mich nicht mehr dazu inspiriert hast und aus Loyalität zu
dir habe ich nicht zugelassen, dass jemand anderes mir die nötigen Gefühle
dafür verschafft. Ich wollte dir treu bleiben, obwohl ich mich danach gesehnt
habe, wieder diese Leidenschaft wie am Anfang unserer Beziehung zu verspüren ".
Wenn ich sowas zu ihr sage, werde ich ihr grausam weh tun, weil ich ihr die
Verantwortung für meine Unzufriedenheit geben werde. Und auch wenn ich ihr das
nie sagen würde, ich würde es bestimmt irgendwann so fühlen und das wird auch
nicht gerade gut für unsere Ehe sein. Ich weiß, das hört sich schrecklich
egoistisch an, ich verlange fast nach einer Rechtfertigung für meine Affäre mit
dir und ich versuche die Tatsache, dass ich Claire betrüge, zu verschönern.
Aber ich habe auch noch eine höhere Verpflichtung, als Künstler nämlich. So
viele Fans fragen mich in ihren Briefen, warum ich so viel über neutrale
Themen, über den Alltag, über soziale Probleme schreibe, über alles mögliche -
sie möchten aber Liebesballaden hören, die immer meine Stärke waren, wie du
weißt. Und ich kann sie nicht mehr liefern! Ich bin ruhiger geworden,
häuslicher, habe ein Kind und eine Ehefrau, ich habe einfach andere Energien um
mich und in mir, die mich daran hindern wieder solche Lieder schreiben zu
können wie früher. Aber einen Teil von mir musste ich für dieses glückliche,
sichere Familienleben aufgeben und verstecken, den Teil von mir, den ich durch
dich wiedererkannt habe und der immer noch zu mir gehört und auf seine
Berechtigung besteht. Wenn Claire nie darüber erfahren wird, wird es ihr auch
nicht weh tun, egal wie fade das klingt. Wenn sie eine Affäre hätte während ich
unterwegs bin, würde ich es nicht wissen wollen. Aber ich würde es ihr gönnen,
ich weiß wie schwer es für sie ist, dass ich so wenig zu Hause bin. Sie ist
bestimmt oft einsam und sich selbst überlassen, während ich auf der Bühne stehe
und meinen Spaß habe. Wenn sie mich weiter so lieben würde wie jetzt, trotz der
Affäre mit jemand anderem, wäre es für mich in Ordnung. Ich habe kein Recht von
ihr zu verlangen wie eine Nonne leben zu müssen, während ich monatelang auf
Tour bin und ihre Bedürfnisse nicht erfüllen kann." Robin lief unruhig hin
und her durch das Zimmer als er sprach. Offensichtlich versuchte er sich sein
schlechtes Gewissen zu erleichtern, als er so ausführlich diese Situation
erörterte. In erster Linie suchte er für sich selbst eine Erklärung und eine
Rechtfertigung für seinen Ehebruch.
Ich
schwieg bis jetzt die ganze Zeit. Das, was er erzählte, war so einleuchtend,
aber auch sehr ernüchternd. Noch war ich zu jung und hatte keine Erfahrung mit
einer längeren Beziehung, ich war nie länger als ein Jahr mit jemandem zusammen
gewesen. Aber ich hatte noch den etwas naiven Glauben, dass wahre Liebe, wenn
sie wirklich echt und tief genug ist, für immer so selbstgenügend und
leidenschaftlich bleibt wie am Anfang. Ich konnte es nicht nachvollziehen, wie
man sich in jemand anderen verlieben kann, obwohl man den Partner liebt und man
ihn auf keinen Fall verlassen will. Robin verstand ich nicht ganz, dafür fehlte
mir einfach die nötige Erfahrung. Fast zehn Jahre Altersunterschied zwischen
uns zeigten sich gerade sehr deutlich. Eigentlich erwartete ich, er würde
sagen, er liebt Claire doch nicht so sehr, wie er immer dachte, so wie es bei
mir und Max der Fall war. Aber meine Beziehung zu Max konnte ich kaum mit
seiner Ehe vergleichen.
Ich
liebte Max nicht, ich war am Anfang zwar verliebt in ihn, aber der Verliebtheit
ist niemals Liebe gefolgt. Nach den ersten Monaten trat eine gewisse Gewohnheit
und Vertrautheit zwischen uns ein und die Beziehung lief auf einer Art
pragmatischer, kumpelhafter Basis. Wir musizierten viel zusammen, hatten
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