Bitterzart
Kopf. »Einige sind langsam der Ansicht, dass es intern gelaufen sein muss.«
»Schluss jetzt mit dem Geschäftlichen«, sagte Yuri. »Annie will das gar nicht hören.«
Ich nickte und fragte dann: »Wäre es vielleicht besser, wenn Leo nicht mehr hier im Pool arbeiten würde?«
»Doch, warum nicht?«, versicherte Onkel Yuri mir. »Er ist ein fleißiger Kerl, und was passiert ist, ist jetzt vergessen. Sag Leo, er soll sich morgen freinehmen, dann sehen wir ihn am Montag in alter Frische wieder.« Onkel Yuri bot mir eine Tasse Tee an, doch ich erwiderte, ich werde zu Hause gebraucht. »Wie läuft es jetzt, da Galina nicht mehr da ist?«, fragte er. »Kommt ihr Geschwister zurecht?«
Ich nickte. Ich war mir zwar nicht sicher, dass es stimmte, aber das Letzte, was ich wollte, war die Hilfe meiner Familie.
*
Als ich in die Wohnung zurückkehrte, war alles ruhig. Ich sah ein Licht unter der Tür meiner Schwester, was normalerweise bedeutete, dass sie lernte. Imogen machte den Abwasch, obwohl das nicht zu ihren Aufgaben gehörte. Ich ging in die Küche, um mit ihr zu sprechen.
»Ich hab Essen gekocht«, erklärte sie. »Und deinem Bruder ein Aspirin gegeben.«
»Vielen Dank«, sagte ich. »Das hättest du alles nicht tun müssen.«
Imogen drehte das Wasser ab. »Ihr bedeutet mir sehr viel, deine Geschwister und du, Annie. Auch wenn Galina tot ist, sorge ich mich um euch.«
Ich nickte und hatte plötzlich eine Idee, die ich für sehr gut hielt. »Hoffentlich ist das keine Beleidigung für dich, aber wärst du vielleich bereit, in den nächsten Wochen bei uns zu bleiben?«, fragte ich sie. »Ich weiß, dass du eigentlich Krankenpflegerin bist, kein Kindermädchen, aber ich könnte deine Hilfe wirklich gut gebrauchen. Und für die anderen beiden würde alles viel normaler wirken.« Ich wies in Richtung Flur, wo Leo und Natty schliefen. »Mr. Kipling zahlt dir dafür genau so viel wie vorher.«
»Nur die Bettpfannen bleiben mir erspart.« Imogen lächelte mich an.
»Wenn du hier übernachten willst, könntest du Nanas Zimmer nehmen«, sagte ich.
»Das hört sich gut an, Annie. Ehrlich gesagt, hatte ich gehofft, gefragt zu werden.«
Auch wenn ich eigentlich nicht so für Umarmungen bin, nahm ich Imogen in die Arme. Sie streckte ihre weit aus, und es wäre unhöflich gewesen, nicht darauf einzugehen.
Sie bot mir an, das Abendessen für mich aufzuwärmen, doch ich lehnte ab. Mir war immer noch nicht richtig gut im Magen.
»Toast?«, schlug sie vor.
Ich musste zugeben, dass sich das gut anhörte.
Imogen schnitt die Kruste ab, legte den Toast auf einen hübschen Porzellanteller und schickte mich ins Bett.
Als ich in mein Zimmer kam, fand ich dort Win vor. Er las in einem Buch.
»Oh«, machte ich. »Ich wusste gar nicht, dass du noch da bist.«
»Du hast dich nicht von mir verabschiedet«, gab er zurück und legte das Buch aufs Bett (es war eins von Imogen). »Ich wusste nicht, wo du hingegangen warst. Ich wollte mich nur überzeugen, dass du nicht umgebracht wirst. Da ich jetzt sehe, dass du nicht tot bist, kann ich ja gehen.« Er stand auf. Win war fast einen Kopf größer als ich. Ich fühlte mich klein und jämmerlich neben ihm.
»Tut mir leid«, sagte ich. »Es war nicht zu vermeiden.«
»Es war nicht zu vermeiden? Was Besseres gibt es nicht als Entschuldigung?« Er grinste.
»Ich … ich habe ein kompliziertes Leben. Es tut mir wirklich leid.«
Win runzelte die Stirn und gab mir einen Kuss. »Entschuldigung angenommen.«
»Ich habe heute nichts anderes getan, als mich zu entschuldigen. So langsam komme ich mir vor wie der zerknirschteste Mensch der Welt.«
»Sei nicht so hart zu dir«, sagte Win. »Du bist bestimmt nicht der zerknirschteste Mensch der Welt. Die Welt ist groß.«
»Danke.«
»Ich hab mich schon gefragt, ob du mit Yuji durchgebrannt bist. Wird sein Name so ausgesprochen?«, fragte er.
»Ja.«
»So langsam wurde ich eifersüchtig.«
»Hör auf«, sagte ich. »Yuji ist dreiundzwanzig. Viel zu alt für mich.«
»Und du hast mich doch lieber, oder?«
»Ja, natürlich hab ich dich lieber. Hör auf mit dem Blödsinn, Win.«
»So alt ist dreiundzwanzig auch nicht«, neckte er mich. »Wenn du achtzehn bist, ist er erst fünfundzwanzig.«
»Komisch. Genau dasselbe hat Natty mal über dich gesagt. Nur dass du bloß vier Jahre älter bist als sie.«
»Ist Natty in mich verknallt?«, wollte er wissen.
Ich verdrehte die Augen. »Merkst du das nicht? Sie ist schon fast besessen von
Weitere Kostenlose Bücher