Bitterzart
Special, die in Russland und Europa erhältlich ist, wo Schokolade immer noch legal ist. Es ist völlig normal, dass einige dieser Produkte hin und wieder hier landen, daher ist es für mich nicht ungewöhnlich, dass Ms. Balanchine im Besitz von Schokolade war.«
»Doch, das ist es schon, wenn die Person, der sie sie geschenkt hat, vergiftet wurde«, bemerkte Jones.
»Ach, Sie können auch reden?«, sagte Mr. Kipling. »Selbst wenn Mr. Arsley vergiftet wurde – welchen Beweis haben Sie, dass das Gift in der Schokolade war? Es könnte auf unzählige Wege in ihn gelangt sein.«
Frappe lächelte und sagte: »Zufälligerweise wissen wir mit hundertprozentiger Sicherheit, dass die Schokolade die Ursache der Vergiftung ist. Als Ms. Balanchine sich vornahm, Mr. Arsley zu vergiften, schenkte sie ihm zwei Riegel Schokolade.«
»Ihr kleines Mädchen war überaus gründlich«, bemerkte Jones.
»Sie hat ihm zwei Riegel geschenkt, aber Mr. Arsley aß nur einen davon«, fuhr Frappe fort. »Seine Mutter fand den anderen Riegel in seinem Zimmer, und er wurde sofort ins Labor geschickt, wo man feststellte, dass er eine enorme Menge Fretoxin enthielt.«
»Wissen Sie, wie Fretoxin auf den Körper wirkt, Anya?«, fragte Jones. »Zuerst bekommt man Bauchschmerzen. Man fühlt sich gar nicht so besonders krank.«
»Der arme Junge dachte wahrscheinlich, er hätte eine Grippe«, warf Frappe ein.
»Aber warten Sie, es wird gleich besser«, sagte Jones. »Bleibt die Behandlung zu lange aus, bilden sich Geschwüre in Magen und Darm. Leber und Milz stellen die Arbeit ein, dann versagen auch andere Organe. Nebenbei bekommt man überall am Körper Ausschlag. Irgendwann schafft der Körper es nicht mehr. Entweder hat man einen tödlichen Herzinfarkt oder eine Blutvergiftung durch die vielen Entzündungen, die im Körper wüten. Es ist ein kompletter Systemabsturz, und das Traurige dabei ist: Es ist einem egal. Man fleht nur noch zu Gott, allem ein Ende zu machen.«
»Man muss einen Menschen schon sehr hassen, um so was zu tun, meinen Sie nicht?«, sagte Frappe.
»Genau so, wie Sie Gable Arsley hassen«, schloss Jones.
»Ich habe keine Ahnung, wie das Gift da reingekommen ist! Ich würde Gable niemals vergiften!«, rief ich. Doch ein Teil von mir wusste, dass es sinnlos war. All das würde sich heute nicht mehr klären lassen.
Nachdem mir die Fingerabdrücke abgenommen und Fotos von mir gemacht worden waren, wurde ich in einer Einzelzelle auf dem Revier eingeschlossen. Die Unterbringung galt nur für eine Nacht. Am nächsten Tag würde ein Jugendgericht entscheiden, wie es mit mir weiterging, während ich auf meinen Prozess wartete, angeklagt wegen des versuchten Mordes an Gable Arsley und des geringeren Vergehens, im Besitz illegaler Substanzen zu sein. Mr. Kipling vermutete, da ich keinerlei Vorstrafen hätte, würde man mich einfach nach Hause schicken, allerdings mit einem elektronischen Chip in der Schulter. »Vielleicht musst du eine Weile bei Keisha und mir bleiben, falls der Richter meint, deine Großmutter sei nicht in der Lage, dich zu beaufsichtigen.« Keisha war Mr. Kiplings Frau.
»Hätte sie denn nichts dagegen?«
»Nein. Sie würde sich freuen. Unsere Tochter fehlt ihr ganz furchtbar. Also Kopf hoch, Anya«, sagte Mr. Kipling vor der Zelle zu mir. »Wir werden die Sache regeln, das verspreche ich.«
Ich nickte, ohne überzeugt zu sein. »Sie müssen wissen«, flüsterte ich, »dass Jacks Piroschki derjenige war, der mir die verdorbene Schokolade geschenkt hat.«
Mr. Kipling versprach, das zu überprüfen. »Wir erzählen der Polizei erst von Piroschki, wenn wir mehr Informationen haben. Offenbar sind sie überzeugt, dass du es warst, deshalb müssen wir vorsichtig sein. Wir möchten ihnen nicht unwissentlich noch mehr Munition verschaffen.«
»Ich habe Leo den Rest der Schokolade entsorgen lassen«, flüsterte ich weiter. »Das war dumm von mir. Ich hab nicht richtig nachgedacht. Ich hatte Angst, dass das Haus durchsucht wird und man die Schmuggelware findet.«
Mr. Kipling nickte. »Ich weiß. Leo hat mich angerufen. Die Polizei klopfte an die Tür, als Leo gerade in Galinas Schrank war. Er hatte nicht mehr genug Zeit dafür.«
»Das ist gut«, sagte ich. »Ich bin froh, dass ich meinen Bruder nicht unbeabsichtigt zum Mittäter gemacht habe, wobei auch immer.« Bei den letzten Worten brach mir die Stimme. Meine Kehle schnürte sich zu, es fühlte sich an, als kämen mir die Tränen. Aber ich erlaubte mir nicht zu
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