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Bitterzart

Bitterzart

Titel: Bitterzart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabrielle Zevin
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die Möglichkeit, dass man mich in eine Jugendstrafanstalt brachte, bis alles geklärt war. Und es wäre kompliziert, mich von einer Jugendstrafanstalt aus um Natty, Leo und Nana zu kümmern. »Ich bin mit Mr. Green einverstanden«, sagte ich.
    »Gut«, sagte die Richterin.
    Die Staatsanwältin führte die Beweise an, die gegen mich vorlagen, wobei die Richterin ständig nickte, Simon Green ebenfalls. Abschließend sprach die Staatsanwältin eine Empfehlung aus, was ihrer Meinung nach mit mir geschehen solle. »Ms. Balanchine sollte in die Jugendeinrichtung Liberty Island geschickt werden, um dort ihren Prozess abzuwarten.«
    Ich rechnete damit, dass Mr. Green widersprach, doch er schwieg.
    »Eine Haft scheint mir etwas übertrieben bei einer Minderjährigen«, sagte die Richterin. »Das Mädchen ist bisher nicht vorbestraft.«
    »Normalerweise wäre ich Ihrer Meinung«, sagte die Staatsanwältin. »Aber man darf die Schwere des Verbrechens und den Umstand, dass das Opfer sterben könnte, nicht außer Acht lassen. Außerdem gibt es Kriminalität im familiären Umfeld« – so langsam fing ich an, diese Frau zu hassen –, »was Anlass zu der Vermutung gibt, die Verdächtige könnte fliehen.«
    Ich stieß Simon Green an. »Wollen Sie nichts dazu sagen?«, wisperte ich ihm zu.
    »Wir hören uns das erst mal an«, flüsterte er zurück. »Ich rede erst, wenn ich alles gehört habe.«
    Die Staatsanwältin fuhr fort: »Sie wissen sicherlich, dass ihr Vater der berüchtigte Gangsterboss Leonyd Balanchine war, was darauf schließen lässt, dass Anya Balanchine beste Kontakte zu –«
    »Entschuldigen Sie, Euer Ehren«, sagte ich.
    Die Richterin warf mir einen prüfenden Blick zu, so als überlegte sie, ob sie mich für die Unterbrechung zur Ordnung rufen solle oder nicht. »Ja?«, sagte sie schließlich.
    »Ich verstehe nicht, was meine Familie mit mir zu tun haben soll. Ich bin nicht vorbestraft, und ich bin nicht verurteilt. Wenn ich in die Jugendeinrichtung Liberty Island geschickt werde, wäre das eine unglaubliche Zumutung für mich.«
    »Meinen Sie, Sie verpassen etwas in der Schule?«, fragte die Richterin.
    »Nein.« Ich dachte nach. »Ich bin sozusagen dafür verantwortlich, auf meine Schwester aufzupassen. Meine Großmutter ist krank, und mein großer Bruder ist gesundheitlich …« Wie drückte ich mich am besten aus? »Angeschlagen.«
    »Das tut mir leid«, sagte die Richterin.
    »Es geht mir genau um das, was Ms. Balanchine gerade beschrieben hat«, warf die Staatsanwältin ein. »Diese kranke Großmutter ist der einzige Vormund dieses Mädchens. Wenn Sie zulassen, dass Anya Balanchine zurück nach Hause kann, wird sie offenbar von niemandem beaufsichtigt werden.«
    Die Richterin sah erst mich, dann Simon Green an. »Können Sie etwas über die Situation bei ihr zu Hause sagen?«, fragte sie meinen Anwalt.
    »Ähm, Entschuldigung … Ich habe diesen Fall erst heute bekommen und … und …«, stammelte Simon Green. »Mein Fachgebiet ist eher Strafrecht, nicht Familienrecht.«
    »Also, ich brauche mehr Zeit zum Nachdenken und muss jemanden suchen, der besser über diese Situation Bescheid weiß«, sagte die Richterin. »Bis dahin werde ich Ms. Balanchine in der Jugendeinrichtung Liberty Island unterbringen. Keine Sorge, Ms. Balanchine. Nur so lange, bis wir das geklärt haben. Wir sehen uns hier in einer Woche wieder.«
    Die Richterin schlug mit dem Hämmerchen, dann mussten wir den Gerichtssaal verlassen.
    Ich setzte mich draußen auf die Marmorbank und versuchte mir darüber bewusst zu werden, wie es weitergehen sollte. Ich hörte, wie die Staatsanwältin sagte, man müsse meine Verlegung vom Gericht nach Liberty organisieren.
    »Es tut mir leid, Anya«, sagte Simon Green. »Ich wünschte wirklich, ich hätte mehr Zeit gehabt, um mich vorzubereiten.«
    Auf gewisse Weise war das alles meine Schuld. Wenn ich nur den Mund gehalten und nicht gesagt hätte, dass ich mich um Nana, Natty und Leo kümmern musste! Indem ich meine Lage beschrieben hatte, war alles nur noch schlimmer geworden. Andererseits hatte Simon Green wirklich nicht den Eindruck gemacht, als wisse er, was er tue. Einer von uns musste etwas sagen.
    »Anya«, wiederholte er. »Es tut mir wirklich leid.«
    »Dafür ist jetzt keine Zeit«, sagte ich. »Sie müssen ein paar Sachen für mich erledigen. Es sind verschiedene Personen anzurufen. Zuerst eine Frau namens Imogen Goodfellow. Sie ist die Pflegerin meiner Großmutter. Rufen Sie sie an und sagen

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