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Bitterzart

Bitterzart

Titel: Bitterzart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabrielle Zevin
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Cobrawick sah mich mit zusammengekniffenen Augen an, und ich merkte, dass meine Frage wohl ein Fehler gewesen war. »Damit alle in Sicherheit sind.«
    Ich schwieg.
    »Haben Sie mich verstanden?«, sagte Mrs. Cobrawick. »Ich habe gesagt, der Zaun ist da, damit alle in Sicherheit sind.«
    »Ja«, erwiderte ich.
    »Gut«, sagte Mrs. Cobrawick. »Nur mal nebenbei: Es ist höflich, eine Rückmeldung zu geben, wenn jemand eine von Ihnen gestellte Frage beantwortet hat.«
    Ich entschuldigte mich und erklärte, dass ich nicht hatte unhöflich sein wollen. »Ich bin müde«, sagte ich, »und ein bisschen verwirrt von dem, was gerade passiert.«
    Mrs. Cobrawick nickte. »Das freut mich zu hören. Ich hatte schon Sorge, Ihre Unhöflichkeit wäre die Folge mangelhafter Erziehung. Ich bin über Ihren Hintergrund bestens unterrichtet, Anya. Über Ihre Familiengeschichte. Es würde mich nicht wundern, wenn Ihnen gewisse Feinheiten fehlten.«
    Ich merkte, dass sie mich aus der Reserve locken wollte, doch ich ging nicht darauf ein. Die Fähre legte an der Insel an, und ich würde diese Frau bald los sein.
    »Ehrlich gesagt, Anya, kann Ihr Aufenthalt hier eher angenehm oder eher unangenehm werden«, sagte sie. »Das hängt ganz von Ihnen ab.«
    Ich bedankte mich für ihren Rat und bemühte mich dabei, nicht sarkastisch zu klingen.
    »Als ich heute Morgen von Ihrer Situation hörte, habe ich ausdrücklich darum gebeten, Sie begleiten zu dürfen, obwohl solche Aufgaben normalerweise weit unter meiner Stellung liegen. Man könnte sagen, ich hatte Interesse an Ihrem Fall. Wissen Sie, ich bin mit Ihrer Mutter zum College gegangen. Wir waren zwar nicht enger befreundet, aber ich sah sie oft auf dem Campus, und es wäre wirklich schade, wenn Sie so endeten wie Ihre Mutter. Ich habe festgestellt, dass ein frühzeitiges Eingreifen bei Grenzfällen wirklich etwas bewirken kann.«
    Ich holte tief Luft und biss mir auf die Zunge. Wortwörtlich. Ich schmeckte das Blut in meinem Mund.
    Die Fähre hatte angelegt, und der Kapitän forderte alle auf, von Bord zu gehen, die zur Jugendeinrichtung Liberty wollten. »Nun«, sagte ich, »vielen Dank fürs Herbringen.«
    »Ich komme mit Ihnen rein«, sagte sie.
    Ich war davon ausgegangen, dass Mrs. Cobrawick am Gericht arbeitete, nicht in Liberty, aber das war dumm von mir gewesen. Ich fragte mich, woher sie gewusst hatte, dass ich nach Liberty geschickt werden würde, besonders wenn man bedachte, dass die Verhandlung ja sehr schnell abgewickelt worden war. War mein Schicksal etwa schon besiegelt gewesen, bevor ich am Morgen im Gericht eintraf?
    »Ich bin hier die Leiterin«, erklärte Mrs. Cobrawick. »Hinter meinem Rücken nennen mich manche den Gefängnisdirektor«, fügte sie mit einem seltsamen Lächeln hinzu. »Passen Sie auf, dass Sie nicht dazugehören.«
    Kaum hatten wir den Anleger verlassen, führte mich meine Gastgeberin zu einem Raum mit schlichten Betonwänden, der als »Orientierungsraum« ausgewiesen war. Dort warteten eine schmale blonde Frau in einem Laborkittel und ein Mann in einem gelben Overall auf mich. »Dr. Henchen«, sagte Mrs. Cobrawick zu der blonden Frau, »das ist Anya Balanchine.«
    »Hallo!«, grüßte Dr. Henchen und musterte mich von oben bis unten. »Nehme ich Sie Langzeit oder Kurzzeit auf?«
    Mrs. Cobrawick überlegte. »Das ist noch nicht ganz klar. Sagen wir Langzeit, dann sind wir auf der sicheren Seite.«
    Ich hatte keine Ahnung, was »Kurzzeit« bedeutet hätte, aber »Langzeit-Orientierung« war bis zu diesem Moment die demütigendste Erfahrung meines ganzen Lebens. (Man beachte, dass es sich hier um die Technik der Andeutung handelt – weitere schlimmere Demütigungen stehen mir noch bevor …) »Ich entschuldige mich, Miss Balanchine«, hatte Dr. Henchen mit höflicher, wenn auch sonderbar gefühlloser Stimme gesagt. »In den letzten Monaten hatten wir hier verschiedene bakterielle Infektionsausbrüche, und um die zu unterbinden, ist unser Aufnahmeverfahren ziemlich aufwendig geworden. Besonders für Langzeit-Bewohner, die den hiesigen Bewohnern ausgesetzt werden beziehungsweise sich selbst aussetzen. Das wird nicht sehr angenehm für Sie werden.« Trotz dieser Worte war ich nicht auf das vorbereitet, was dann kam.
    Ich musste mich nackt ausziehen und wurde von dem männlichen Aufseher mit glühend heißem Wasser abgespritzt. Danach steckte man mich in eine Wanne mit keimtötendem Badewasser, das am ganzen Körper brannte. Ins Haar bekam ich eine Lösung, die

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