bK-Gruen, Sara
Im Hintergrund
erklang Geklapper, dann hörte man, wie eine Tür aufging und sich wieder
schloss.
«Setzen
Sie sich», sagte Jimmy. Er nickte mit dem Kopf in Richtung Tisch und zu den
Männern, die immer noch standen.
«Nein
danke», sagte John. «Setzen, habe ich gesagt.»
«Okay.»
John warf einen flatternden Blick auf den Hund. Der hatte zwar aufgehört zu
knurren, starrte ihn aber immer noch feindselig an.
«Keine
Angst. Pupser würde keiner Fliege was zuleide tun.»
John
bewegte sich widerstrebend auf den Tisch zu. Einer der Männer stellte den
umgekippten Stuhl wieder auf und zog ihn ein Stückchen heraus. John ließ sich
auf der äußersten Stuhlkante nieder und schätzte im Geiste die Länge der dicken
Lederleine und die Entfernung zwischen sich und dem Hund ein. Die anderen
standen stumm da, mit unbewegten Gesichtern.
«So»,
sagte Jimmy. Er blieb hinter dem Tresen stehen. Er beugte sich hinunter und
setzte etwas Schweres, Hartes (klonk!) auf einem
Regal ab. Dann tauchte er wieder auf, den Oberkörper auf die Unterarme
gestützt. Seine Arme, seine Hände, sogar die Finger waren mit dichten schwarzen
Haaren bewachsen. «Sie kommen wohl nicht von hier?»
«Nein.»
«Ach? Und
woher sind Sie?»
«Iowa»,
sagte John. Er hatte keine Ahnung, weshalb.
«Wirklich?»
«Wirklich.»
«Da soll
es gute Kartoffeln geben.»
«Ich glaube,
das ist Idaho.»
«Sicher?»
«Ziemlich
sicher.»
«Ich
dachte, das wäre Iowa.»
Und so
ging es weiter. Die nächste halbe Stunde war die längste in Johns Leben.
Zweimal klingelte ein Handy und wurde hinter die Laken getragen, wo man mit
gedämpfter Stimme telefonierte. Zweimal kamen Männer herein, die bei Johns
Anblick erstarrten. Sie sahen Jimmy an, der sie mit einem Kopfnicken beruhigte
und sie hinter den Vorhang führte. Schließlich hörte John die Hintertür auf-
und wieder zugehen. Jemand warf einen Schlüsselbund scheppernd auf eine Ablage,
und Frankie kam mit einer kleinen Schachtel herein. Er trat hinter dem Tresen
hervor und ließ sie vor John auf den Tisch fallen. Die Schachtel war von
Domino's Pizza.
John
starrte sie an.
Jimmy
zuckte die Achseln. «Recycling. Von wegen Umweltschutz und so.»
Pupser
hob die Schnauze und schnüffelte hoffnungsfroh.
John roch
vor allem den süßen Duft der Freiheit. Sie ließen ihn gehen. Kein Mord! Kein
Müllcontainer! Er sprang auf.
«Also,
was bin ich schuldig?», fragte er und klopfte sich auf die Taschen.
«Frankie?»,
fragte Jimmy. «Fünfzig Mäuse», sagte Frankie. «Fünfzig Mäuse», sagte Jimmy.
«Fünfzig
Mäuse, alles klar», sagte John. Ihn schwindelte vor Erleichterung. Er zog die
Brieftasche heraus und fingerte zitternd darin herum. «Ich hab nur Zwanziger»,
sagte er und warf drei Scheine auf den Tisch. «Egal. Behalten Sie den Rest.»
«Danke.
Tun wir», sagte Jimmy. «Guten ... guten Appetit.»
John
schnappte sich die Schachtel und ging rückwärts zur Tür. «Habe ich. Danke. Ich
...» Sobald er das kühle Metall der Tür an seinen Fingern spürte, drehte er
sich um, warf sich dagegen und rannte los. Er sprintete über die Schnellstraße,
ohne auch nur einen Blick nach links und rechts zu werfen, und verursachte
wütendes Hupen, weil ein Fahrer ihm ausweichen musste. Im langgezogenen
Schatten der Riesenechse mit dem Motel-Schild blieb John vornübergebeugt
stehen, hielt sich die Hand in die Seite und versuchte, zu Atem zu kommen. Er
war höchstens fünfundzwanzig Meter gerannt, doch ihm war schwindlig, und sein
Herz raste.
Als John
sich umdrehte, um in sein Zimmer zu gehen, sah er die Frauen am Schwimmbecken,
die in den letzten Sonnenstrahlen ihre Sachen zusammenpackten. Sie starrten
ihn mit einer Mischung aus Entsetzen und Verwunderung an. John zwang sich zu
einem lässigen Lächeln, um zu zeigen, dass alles okay war, und hielt zur
Erklärung den Pizzakarton in die Luft.
Weil es
keinen Tisch gab, zog er sich bis auf die Boxershorts aus und hockte sich im
Schneidersitz aufs Bett. Er klappte den Computer auf und öffnete das
Textverarbeitungsprogramm. Er starrte die leere weiße Seite an.
Er hatte
die Geschichte fix und fertig im Kopf. Doch John wusste aus Erfahrung, dass sie
in der gleichen Sekunde, wo er zu schreiben anfing, in sich zusammenfallen
würde, das lag in der Natur des Schreibens.
Er
beschwor die Bilder herauf. Ein Porträt von Isabel Duncan, wie er sie damals im
Labor getroffen hatte, die langen blonden Haare, die ihr glänzend über die
Schultern fielen, ihr offenes,
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