bK-Gruen, Sara
Sie riss das
Steuer herum und rammte die Schutzplanke. Ihre Seitenwand kratzte rhythmisch an
ein paar Pfosten entlang, bevor das Heck ausscherte. Als sie zum Stehen kam -
das Fahrgestell federte noch, der Motor lief noch -, blickte sie auf eine lange
Schlange aus Autos, in denen erschrockene Fahrer saßen. Einige griffen schon
nach ihren Handys.
«Mir
fehlt nichts», gestikulierte sie. «Alles in Ordnung.» Sie hielt ihr Handy hoch
und zeigte darauf, um zu verstehen zu geben, dass sie selbst Hilfe holen
wollte.
Während
sie auf den Abschleppwagen wartete, betrachtete sie die Reklametafel genauer.
Sie zeigte turnusmäßig Bilder von den Bonobos, ansonsten aber nur ein Datum,
eine Uhrzeit und eine Internetadresse: www.apehouse.tv.
Isabel
hatte von dot.com, dot.org und dot.net gehört, aber dot.tv?
Wieder zu
Hause, fuhr sie sofort ihren Computer hoch und rief die Adresse auf: Die
Internetseite war identisch mit der Reklametafel, außer dass hier ein Countdown
rückwärts auf einen Tag in genau einer Woche hintickte. Isabel musterte die
Bonobos gründlich - auf den Bildern sah es aus, als seien sie in annehmbarer
körperlicher Verfassung, doch der reinweiße Hintergrund lieferte keinen Hinweis,
wo sie sich befanden oder wie sie untergebracht waren. Mbongo zeigte ein Stressgrinsen,
aber wenigstens hielt Bonzi Lola im Arm.
Sie rief
Celia an, die sich mit Joel und Jawad besprach. Sie spürten den Hauptsitz von
Faulks Enterprises als Inhaber der URL auf. Isabel war unsicher, was das zu
bedeuten hatte. Es bestand kein Zweifel daran, dass Faulks mit Pornographie zu
tun hatte. Isabel kannte sich mit dem Sexualverhalten der Bonobos besser aus
als sonst jemand und fragte sich mit zunehmender Unruhe, ob und wie Faulks es
in seine Machwerke zu integrieren gedachte. Über das Projekt gab es kaum Informationen,
aber der Geheimniskrämer-Kampagne war kaum zu entgehen, sie schien sich mit
viraler Geschwindigkeit zu verbreiten, erschien nicht nur auf Reklametafeln,
sondern auch im Werbefernsehen und generierte automatisch Internetanzeigen,
die mit derselben mysteriösen Website verlinkt waren. Die Tierschutzforen waren
voll von Spekulationen, wo sich die Bonobos befanden und was Faulks vorhatte.
Niemand konnte seine Theorien beweisen, und weil in derartige Foren gestellte
Informationen generell dubios waren und es bis zum genannten Datum nur eine
Woche hin war, beschloss Isabel abzuwarten. Die Fundamentalisten hatten schon
mobilgemacht, aber sie sah keinen Sinn darin, auf einen falschen Alarm hin
wertvolle Energie zu verpulvern. Sie brauchte ihre noch.
Seit dem
Augenblick, als sie die Reklametafel gesehen hatte, war sie bis ins Mark von
harter Entschlossenheit erfüllt. So geschwächt sie gewesen war, so stark war
sie jetzt. Irgendwie würde sie ihre Bonobos wieder zurückholen. Koste es, was
es wolle.
***
James
Hamish Watson konnte das Kreischen nicht mehr ertragen.
Seit über
dreißig Jahren fuhr er Gabelstapler, und noch nie hatte er dabei solche
Verzweiflung gefühlt. Er wollte nur noch anhalten und aussteigen.
Laut
seinem Schwager sollte das hier ein einfacher, schneller Job sein,
leichtverdientes Geld. Er musste nichts weiter tun als einen Stahlkäfig von
einem Lastwagen heben, damit in ein Gebäude fahren, ihn dort abladen und einen
Tageslohn kassieren. Aber als er ein paar Tage zuvor die verlangte Probefahrt
absolviert hatte (was er für Blödsinn hielt, doch Ray hatte ihm geraten, sich
nicht mit dem Boss anzulegen), waren da noch keine Demonstranten gewesen, an
denen er vorbeimusste, und in dem Käfig keine Affen.
Es waren
die Affen, die ihm Kummer machten, nicht die Demonstranten. Demonstranten
gingen aus dem Weg, sobald man Anstalten machte, über ein paar Füße zu fahren.
Aber die Affen kreischten und schrien, warfen sich von einer Seite des Käfigs
auf die andere, klammerten sich an die Gitterstäbe, bis der ganze Käfig auf der
Palettengabel gefährlich schwankte. James wollte ihn mit Schlingern
stabilisieren, erwischte aber aus Versehen den Kipphebel. In zweiunddreißig
Jahren passierte ihm dies das erste Mal.
Nachdem
er den Käfig beinahe von der Gabel gekippt hätte, ließ er das wuselnde,
kreischende Elend einfach auf die Erde hinunter. Der Käfig war nirgends auch
nur annähernd plan mit der Mauer, und James wusste, er würde dafür eins aufs
Dach kriegen, aber ihm war komisch im Kopf, er wollte nach Hause. Er hatte die
Bedenken seiner Frau wegen des Auftrags mit einem «Pah!» abgetan, jetzt
Weitere Kostenlose Bücher