bK-Gruen, Sara
Hand durchs Haar. Sein
Gesichtsausdruck wurde sanft. «Du hast recht. Verzeih mir. Du hast recht. Hör
zu, ich mach einen kurzen Spaziergang, okay? Damit ich zur Ruhe komme. Bin
gleich wieder da.»
Isabels
Erinnerung verweilte bei Peters Wutanfall. Es war das einzige Mal, dass er so
ungehalten gewesen war, aber durch die eigenartigen Bemerkungen von Gary und
Rose war sie jetzt neugierig, was Peter während seiner Zeit in Rockwell
tatsächlich gemacht hatte. Das Primatenforschungsinstitut hatte einen
fürchterlichen Ruf - der Eigentümer war ein herrischer Mann mit einem
graumelierten Bart, der Schimpansen bekanntlich mit Viehstöcken und sogar einer
Schrotflinte gefügig machte. Etliche führende Primatologen hatten als
Examensstudenten eine bestimmte Zeit an diesem Institut gearbeitet,
hauptsächlich weil es im Land nur wenige Projekte gab, die die Arbeit mit
Primaten ermöglichten. Die meisten schworen danach, sie hätten im PSI gelernt,
wie man es nicht machen darf. Das war auch immer Peters Spruch gewesen.
Isabel
wandte sich wieder dem Laptop zu und suchte im Internet. Sie stieß sogleich auf
seine Dissertation. «Warum Affen nicht nachäffen: Wie Motorik-Muster und
Gedächtnisspeicher das soziale Lernverhalten von Schimpansen beeinflussen»,
außerdem auf einen Aufsatz, der ihm landesweite Anerkennung eingebracht hatte:
«Kooperation oder gemeinsames Handeln: Was steckt hinter dem Jagd- und
Zusammenschlussverhalten von Schimpansen?» Das war nichts Neues - Peters
kognitive Studien waren der Hauptgrund gewesen, weswegen Richard Hughes ihn
eingestellt hatte. Es war nichts zu finden, was Roses Bemerkung gerechtfertigt
hätte.
Isabel
rief Celia an.
«Na toll,
dass du noch lebst», sagte Celia. «Hast du was gegessen?»
«Du musst
mir einen Gefallen tun.»
«Du hast
mir nicht geantwortet.»
«Celia,
bitte.»
«Okay.
Was denn?»
«Du hast
mal gesagt, dass Joel und Jawad in private Netzwerke reinkommen.»
«Ja. Und
du warst ganz schön entsetzt, wenn ich mich recht erinnere.»
«Tja, na
ja.» Isabel räusperte sich. «Kannst du mal sehen, was sie über Peter ausgraben
können und was er am PSI gemacht hat?»
«Na, das
sind mal ganz neue Töne.»
«Bitte,
Celia.»
«Okay.»
Celia klang verblüfft. «Ich meld mich bei dir.»
Vierzig
Minuten später rief sie an. «Guck in deine E-Mails», sagte sie nur.
«Warum?
Was haben sie gefunden?»
«Bitte.
Guck einfach in deine E-Mails.» Celias Stimme zitterte.
Isabels
Posteingang war voll. Joel hatte Dutzende Aufsätze, Auszüge und Abrisse aus
Peters Zeit als Forschungsassistent geschickt. Peter hatte an Studien über die
Auswirkungen von Mutterentzug bei Schimpansen und über durch Immobilisierung
verursachten Stress teilgenommen. Er hatte Säuglinge gleich nach der Geburt von
ihren Müttern getrennt und in Käfige gesperrt, entweder zu einer Draht- oder
einer Plüsch-«Mutter», und aufgezeichnet, wie viel Zeit jede Gruppe brauchte,
bis sie starb. Er hatte Schimpansen auf Holzstühle gesetzt, an Kopf, Händen,
Füßen und Brust angeschnallt und sie über Wochen in dieser Haltung sitzen
lassen, was zu dem erstaunlichen Resultat führte, dass dies erhöhten Stress verursachte.
Die
Fotografien von aufrecht festgeschnallten Schimpansen lösten in Isabel ein
übles Dejá-vu-Gefühl aus. Sie kannte diese Bilder. Es waren dieselben, die Gary
und Co. an Stangen geschwenkt hatten. Das plötzliche Auftauchen der Demonstranten
im letzten Jahr ergab jetzt einen Sinn - der Zeitpunkt fiel mit Peters
Arbeitsantritt zusammen.
Peter
hatte nie viel von seiner Zeit in Rockwell erzählt und seine Untersuchungen als
nichtinvasiv abgetan. Das hatte sie insofern beruhigt, als es bedeutete, dass
er keine Bolzen in Affengehirne geschraubt oder Teile ihrer Organe entnommen
hatte. Er war mit den Bonobos strenger gewesen als die anderen Forscher im
Sprachlabor, aber sie hatte immer gedacht, das sei ein Alphamännchen-Ding. Und
dann befielen sie bohrende Schuldgefühle, weil es ebendiese Eigenschaft war,
die sie an ihm attraktiv gefunden hatte.
Sie hatte
sich in einen Kidnapper, Folterer und Mörder verliebt. Sie hatte sich ihm
geöffnet, mit ihm geschlafen, wäre bereit gewesen, ihr Leben mit ihm zu teilen,
sogar Kinder mit ihm zu zeugen. Er hatte ihr von seiner Arbeit das erzählt, was
er sie glauben machen wollte, und sie hatte es naiverweise geschluckt.
Jetzt
konnte Isabel den Schimpansen verstehen, der Peter fast einen ganzen Finger
abgebissen hatte. Sie wünschte, er hätte ihm
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