bK-Gruen, Sara
Barista
allerdings ein mitleidiges Lächeln und die Belehrung erhalten, es würde sich
korrekterweise um eine Double-Shot-Grande-Skinny-Latte handeln.
John trat
an den Empfangstresen. Die ebenfalls auf Hochglanz polierte junge Frau
dahinter hob den Blick. «Kann ich Ihnen helfen?», fragte sie und lächelte, ohne
die Zähne zu zeigen. Ihre Haut war glatt und makellos. John fragte sich, ob so
das Ergebnis einer Restylan-Behandlung aussah. Ein Hauch von Apfel rund um die
Wangen, ein zart aufgeplustertes Je ne suis
quoi auf der Oberlippe.
«Ah, ja. Ich
habe um zehn einen Termin bei Topher McFadden.»
John
stellte die Latte auf dem Tresen ab. Die Augen der Frau folgten seiner
Bewegung. Rund um den Becher bildete sich eine kleine Kaffeepfütze. Er riss ihn
wieder hoch und hinterließ einen Kaffeering.
«Ihr
Name?»
«JohnThigpen.»
«Thigpen?»
«Ja,
Thigpen.»
«Ich
werde Ihren Besuch ankündigen», hauchte sie gedämpft wie eine Bibliothekarin.
«Nehmen Sie doch bitte Platz.»
«Danke»,
sagte John und senkte ebenfalls die Stimme.
Er
stellte seine Aktentasche auf den Boden und hockte sich auf einen unbequemen
roten Ledersessel. Nach einem Augenblick angelte er ein Taschentuch aus der
Jacke, faltete es zusammen und benutzte es als Untersetzer, um auf der geschliffenen
Glasplatte nicht auch noch Spuren zu hinterlassen.
Die
Empfangsdame sah zu ihm herüber und tippte sich mit ihrem perfekt manikürten
Zeigefingernagel an die Schulter. John runzelte die Stirn. Sie wiederholte die
Geste. John sah an sich hinab und merkte, dass seine Krawatte immer noch
ordentlich über die Schulter gelegt war. Er wurde rot und strich den Schlips
glatt. Kein Wunder, dass die Barista ihn für einen Bauerntölpel gehalten hatte.
Die
Empfangsdame nahm einen Anruf entgegen, und John richtete den Blick auf die
Eingangstür und die Beine, die an der unteren Glasscheibe vorbeiflanierten -
gestärkte Bügelfalten, Seidenstrümpfe, schwankende Pfennigabsätze.
Kampfstiefel, Schnürstiefel und Turnschuhe. Beine im Watschelgang, stolzierende
Beine, entschlossene Beine - behaarte Beine, die sich hoben, um einen Strahl
Urin gegen die Mauer zu setzen, ehe die Leine über dem benachbarten Beinpaar
stramm gezogen wurde.
Johns
Herz raste.
Auf dem
Tisch war eine kunterbunte Auswahl Klatschblatt-Phantasmagorien ausgebreitet -
kunstvoll zerzauste Haarverlängerungen, Ballonkleider und abartig hohe Pumps
mit roten Sohlen. Schneeweiße Keramikveneers blitzten zwischen Lippen, die
aussahen wie Schnabeltierschnäbel. Schönheitskorrigierte Gesichter balancierten
auf bleistiftdünnen Hälsen.
DIÄT ODER
OP?, schrien die Schlagzeilen.
DIESER
ROSENKRIEG WIRD LANGSAM FIES!
ERTAPPT!
HOLLYWOODS
KINDERMÄDCHEN PACKEN AUS!
ALLES
ÜBER MISSGLÜCKTE BRUST-OPs!
John hob
den Blick und sah die Empfangsfrau mit einem FedEx-Boten flirten. Er nahm eines
der Magazine zur Hand.
Eine
obszön adipöse, hochtoupierte Dragqueen namens Madam Butterfly offerierte
geistreiche Bemerkungen zum Schlimmsten, was in der vergangenen Woche auf dem
Roten Teppich zu sehen war. Zierliche Sternchen, versteckt hinter
wagenradgroßen Sonnenbrillen, und zaundürre Frauen, die geschlossenen Reihen
von Fotografen über die Schulter hinweg melancholische Blicke zuwarfen.
John
hatte die Beine übereinandergeschlagen und war in seine Lektüre vertieft, als
jemand seinen Namen rief.
Die
Redaktion war riesig. Hüfthohe Trennwände zwischen den Arbeitsplätzen
verhinderten zwar jegliche Privatsphäre, ermöglichten aber Zugang zu
Tageslicht. Auf Monitoren an den Wänden liefen die Livestreams der
Nachrichtensender, und junge, schlanke, gutfrisierte Menschen eilten mit Armen
voller Unterlagen, Korrekturabzügen und Fotos durch die Gänge.
Als John
sich einem vom Boden bis zur Decke verglasten Eckbüro näherte, stand Topher
McFadden auf, um ihn zu begrüßen. Er war gleichermaßen teuer wie farbenfroh
gekleidet. Zum apfelgrünen Hemd trug er eine lavendelblaue Seidenkrawatte,
eine Kombination, die gar nicht funktionieren konnte, es aber trotzdem tat,
dazu eine klobige eckige Brille und ebensolche Schuhe. Er war fit und gebräunt,
hatte einen Schopf blonder Haare auf dem Kopf und lag altersmäßig irgendwo
zwischen fünfundzwanzig und fünfundvierzig. John hoffte, dass er näher an der
Fünfundvierzig dran war, vor allem in Anbetracht der sehr unterschiedlichen
Positionen, die sie bekleideten. Sie gaben sich die Hand.
«Nehmen
Sie Platz», sagte Topher McFadden und deutete auf ein
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