BKA - Die Jaeger des Boesen
mich selbst kümmern. In mir ruhen. Mir selbst vertrauen.« Dragana Seifert, die Rechtsmedizinerin, sagt emotionslos, denen zu helfen sei ihre Lebensaufgabe als Ärztin, aber sie brauche ein privates Umfeld, das sie auffängt und schützt. Heidemarie Jung, die Jugendtherapeutin: »Ich muss mit mir selbst gut umgehen, sonst kann ich nicht mit anderen gut umgehen. Und ehrlich sein, vor allem ehrlich, ich muss auch Jugendliche, die zu mir kommen, unsympathisch finden können und das sagen. Sonst wäre ich nicht gut in meinem Job. Und wenn die Therapie vorbei ist, ich nicht mehr weiß, was aus einem Mädchen geworden ist, dann hilft mir der Trost zu glauben, dass es sich bei mir melden würde, falls es ihr nicht gut geht.«
Alle sind sich einig, dass Lehrer Kurse besuchen müssten, in denen sie lernen, wie man schon die geringsten Anzeichen von Gewalt an Kindern erkennen kann. Dass jede Kürzung im Sozialbereich unverantwortlich ist. Dass stattdessen neue Planstellen geschaffen werden müssten. Dass nur durch frühe Intervention die Spirale der Gewalt unterbrochen werden kann. Auf die Frage, wer die Schuld hat an einem sexuellen Missbrauch, gibt es für sie nur eine einzige richtige Antwort: die Täter.
Um mehr über deren Communitys und die Methoden der Pädokriminellen zu erfahren, mit denen sie inzwischen im Netz
global agieren, sich dort ihre Opfer suchen und ihre Kunden, fliege ich nach Amsterdam. Von dort ist es mit dem Zug nicht weit nach Den Haag. Organisierte Kleinkriminelle, getarnt als Taxifahrer, warten bereits am Bahnhof. Als ich einem mein Ziel nenne, Raamweg 47, und auf seine Frage zugeben muss, keine Ahnung zu haben, wo genau die Straße liegt und wie weit das ist, steigt Freude auf in ihm. Er strahlt. Ich erwähne die Institution, zu der er mich bitte fahren soll, eine Behörde namens EUROPOL. Sein Lächeln erstirbt.
KAPITEL 8
Die Euro-Fighter
I n meinem Hippocampus sind die zum Ziel passenden Dateien auf Vorrat gespeichert. Die Szenen stammen alle aus Filmen, in denen am Ende das Gute siegt: Da stürmen kühn kräftig kernige Männer und stolz stark schöne Frauen die Landsitze der Mafia. Da jagen Spezialkommandos auf Schnellbooten die Drogenbarone durch die Nacht. Da knacken geniale Abhörspezialisten die Codes der Geldwäscher. Da holen Scharfschützen eiskalt und präzise den Attentäter vom Dach. Da werden Waffenexporteure, Menschenhändler, Kinderschänder und Serienkiller per Blattschuss zwischen die Augen erledigt.
Mit besten Grüßen von James Bond.
Gegen die Wirklichkeit verlieren die fiktionalen Bilder aber jeden Einsatz. Alles, was im Kopf und im Kino bunt abläuft, sieht in der Wirklichkeit eher grau aus. All das läuft bei EUROPOL nicht: leibhaftig Mörder jagen, auf Speedboats versteckte Drogen beschlagnahmen, eigenhändig Terroristen ausschalten, White Collar Criminals verhaften. Was EUROPOL in Wirklichkeit darf, beschränkt sich auf Aktionen in einem engen gesetzlichen Rahmen. In den Worten des deutschen BKA-Kommissars Robert Hauschild, der bei EUROPOL das Referat Netzwerke des internationalen Organisierten Verbrechens leitet, die Abteilung O 6: »Falls wir bei einer Festnahme in einem Mitgliedsland auf Bitten der dortigen Polizei dabei sind, stellen wir uns buchstäblich konkret hinten an und werden erst dann aktiv, sobald es um eine schnellstmögliche Überprüfung von gespeicherten Nummern aus einem Handy oder Daten aus einem Computer geht.« EUROPOL hat
keine Zugriffsrechte mittels eigener Spezialkommandos, ist fokussiert auf Daten und Analysen und Strategien, ist vergleichbar am besten einer Datenanalysespinne, die ein strategisches Netz über Europa gespannt hat. Was sie tut und was sie darf und wie das funktioniert, ist am Ende aber dann doch so spannend wie ein Thriller.
Die Entscheidung über den Standort von EUROPOL traf der Europäische Rat im Oktober 1993. Den Haag war nicht unbedingt seine erste Wahl, aber die Holländer hatten für das neu zu gründende Amt kostenfrei ein großes Haus angeboten. Weil die Behörde tätig werden sollte, um gegen » Verbrechen aller Art« zu ermitteln, passte EUROPOL jedoch gut in die Stadt: Die niederländische Metropole ist die Heimat des Internationalen Gerichtshofs für Menschenrechte; an Hollands Regierungssitz müssen sich vor dem Kriegsverbrechertribunal die Militärs und Politiker des einstigen Jugoslawien verantworten.
Das dreistöckige Backsteingebäude, behütet von einem spitzgiebeligen Dach, in dessen Flügeln rechts und
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