BKA - Die Jaeger des Boesen
zögert nicht. Sagt dann, er wolle als Polizist dafür sorgen, dass Gerechtigkeit herrscht, und fügt hinzu, als sei ihm das bereits eine Spur zu pathetisch ausgedrückt: »Ich mag halt keine Ungerechtigkeiten. «
»Und wie ist es bei Ihnen?«, will ich später von seinem Chef wissen, EUROPOL-Direktor Rob Wainwright. »Woher kommt bei Ihnen die Motivation? Was hat Sie inspiriert, Polizist zu werden? What makes you run, Sir?« Das macht den hageren dreiundvierzigjährigen Engländer, der an der London School of Economics
studierte, bevor er seine Karriere im Staatsdienst begann, für einen kurzen Augenblick sprachlos. »Good question«, rettet er sich erst, um vor der Antwort ein paar Sekunden Zeit zu gewinnen, und sagt dann: »Mein Großvater, ein wirklich guter Mann, kein Polizist, hat mich gelehrt, dass es im Leben Pflichten gibt, die man zu erfüllen hat. Das habe ich nie vergessen, bei allem, was ich später machte und was ich wurde. Die Erfahrungen gewann ich in meinen jungen Zwanzigerjahren im Kampf gegen die IRA. Das waren gefährliche Gegner, sehr gefährliche. Da habe ich den Wert genauer Analysen zu schätzen gelernt. Das alles hat mich geprägt.«
Ist im übertragenen Sinne EUROPOL vergleichbar mit einer Spinne, die aktiv wird, sobald sich am äußersten Rand ihres Netzes etwas bewegt? Im Gesicht von Rob Wainwright, einem überzeugten Europäer, was nicht selbstverständlich ist für einen Briten, zeichnen sich Spuren eines Lächelns ab. Das Bild der Spinne scheint ihm zu gefallen. Dann präzisiert er mit dem Begriff »Information Hub« die Funktion der Behörde, was übersetzt so viel bedeutet wie »Drehkreuz«, eine Drehscheibe für Informationen: »Wir haben uns stetig fortentwickelt zu einem Informationscluster. Um das Organisierte Verbrechen zu bekämpfen, müssen wir über mehr und bessere Informationen verfügen als die Kriminellen. Nur dann können wir sie zielsicher attackieren und ihre Strukturen zerstören. Deshalb brauchen wir die besten analytischen Köpfe aus allen Mitgliedsländern.« Er ist überzeugt davon, dass er sie hat im Amt. Doch das Infosystem EUROPOL wird von den zwei Millionen Polizeibeamten in Europa noch zu wenig genutzt.
Selbst ein polizeigenetisch eigenbrötlerisch auf eigene Erfolge fixierter konservativer Kriminalist in Dingsda müsste aber mittlerweile begriffen haben, dass Verbrechen ein Global Business geworden ist, dass die ihm vertrauten ethnischen oder regionalen Gangsterbanden Franchiseverträge in Sachen Crime abgeschlossen haben, dass er nur dann Aussicht auf Erfolg hat, wenn er seine Ermittlungsergebnisse nicht für sich behält. Die Analysten in Den Haag können ihre – in hochgerüsteten und gegen kriminelle Hackerangriffe
gesicherten Rechnern – gespeicherten Informationen mit den seinen abgleichen und Bezüge aufzeigen, die dann zu gezielten Maßnahmen vor Ort führen. Rob Wainwright: »Erste Herausforderung für unsere Arbeit ist es also, möglichst viele Informationen zu sammeln, diese zweitens bestmöglich zu analysieren und dann drittens das so aufbereitete Wissen wieder zurückzugeben an die betreffenden und betroffenen Staaten.«
Robert Hauschild, der 1986 beim BKA seine Laufbahn im Bereich Staatsschutz, Terrorismus, Rauschgift begann, fünf Jahre bei Interpol in Lyon eingesetzt war, dann beim Personenschutz an der deutschen Botschaft in Beirut und im UN-Ermittlungsteam, das den Mord am libanesischen Präsidenten Rafik al-Hariri aufklären sollte, und seit 2008 in Den Haag arbeitet: »Der Mehrwert EUROPOL kostet nichts und bringt viel.«
Das internationale Verbrechen hat sich im Zeitalter des Internet zu einer Krake mit grenzübergreifenden Armen entwickelt. Die Jäger mussten zumindest strategisch gleichziehen, besser wäre es, denen von der anderen Seite stets einen Schritt voraus zu sein. Aber das ist in der Praxis nicht so einfach. Die Guten, um es mal simpel auszudrücken, sind gebunden an rechtsstaatliche Grundsätze, und das ist wirklich gut so, die Bösen aber nicht. Eine Strategie zum Beispiel, die in den USA erfolgreich angewendet wird, nämlich bei Mitgliedern des Organized Crime Business deren Besitz zu konfiszieren – Autos, Häuser, Bankkonten –, ist dort aufgrund des anderen Rechtssystems möglich, ist erfolgreich, in Europa jedoch – abgesehen von Italien – flächendeckend schwierig. Alle aber, die sich im Organisierten Verbrechen auskennen, wissen um die Wirksamkeit solcher Maßnahmen. Vermögensabschöpfung trifft die
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