BKA - Die Jaeger des Boesen
links von der Mittelachse je zwei geöffnete Fenster auf innere Betriebsamkeit schließen lassen, efeubewachsen, sichtbar jedoch Bedeutung ausstrahlend durch flatternde Fahnen vor der Vorderfront, wurde in den Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts als katholische Jungenschule erbaut. Während der deutschen Besatzungszeit residierten hier polizeiliche Einheiten, die mit den Deutschen kooperierten, sei es freiwillig, sei es gezwungen.
Nach der Befreiung zog der niederländische Geheimdienst ein, das Bureau Nationale Veiligheid (BNV), und 1998 schließlich kam EUROPOL. Nach und nach wurden containerartige Nebengebäude auf dem großen Gelände installiert, weil mit der Zahl der EU-Mitgliedsstaaten die Zahl der Beamten wuchs, die sie nach Den Haag delegierten. In der Kantine wird in drei Schichten gegessen, geraucht wird auf dem Innenhof. Die Zentrale von EUROPOL, dessen großzügig auf Zuwachs bemessener Neubau in Sichtweite des Altbaus errichtet wurde, ist wie das Bundeskriminalamt von einem hohen Zaun umgeben. Es gibt stählerne
Torgitter, und Uniformierte überprüfen alle Besucher, bevor sie ihnen Passepartouts aushändigen.
Danach aber sind die Unterschiede zum BKA angenehm spürbar und spürbar angenehm. Die Erklärung dafür könnte simpel sein, denn alle Kriminalbeamten außer den einheimischen Holländern sind bei ihrer Ankunft gleich – nämlich Fremde, weil sie aus vielen Nationen nach Den Haag geschickt wurden oder sich dorthin bewarben. Sie müssen sich aneinander gewöhnen, jeder muss die Eigenheiten des anderen achten. Die allen auferlegte Pflichtsprache Englisch hilft bei der Annäherung. Das menschliche Miteinander mit dem gemeinsamen Ziel der Verbrechensbekämpfung kann nur dann funktionieren, wenn alle einander vertrauen. Das lernen sie schnell. So entsteht ein Company Spirit im Geiste eines geeinten Europa. Im Sinne dieses selber erfahrenen Vertrauens begegnen sie mir, dem Fremden, mit Vertrauen in meine hehren Absichten statt misstrauisch wie ihre Kollegen in Wiesbaden. Europäisches Sein prägt offenbar das Bewusstsein. Kontrolle ist gut, Vertrauen aber auch.
Immer dann, wenn sich Staaten mit unterschiedlichen Interessen und Zielen und Problemen und nationalen Eigenheiten im Geiste Europas auf Gemeinsames verständigen und dies in Gesetze gießen mussten, zuletzt im Lissabon-Vertrag, wurde es schwierig und damit auch sprachlich sperrig. Warum sollte es ausgerechnet anders gewesen sein, als es bei der Gründung einer supranationalen Polizeibehörde um den Kampf gegen die internationale Kriminalität ging? Wie definiert man die? Was sagen Juristen dazu? In welchem Land werden welche Vergehen wie beurteilt und bestraft? Wo gelten im Kern identische Straftaten eher als kleine Sünden, wo als große Verbrechen? Was zum Beispiel in Dänemark als strafwürdige Bestechung verfolgt wird, ist in Bulgarien die traditionelle Art, Geschäfte abzuwickeln, was in Rumänien als Auslandseinsatz arbeitsloser Frauen gilt, wird bereits zehn Kilometer hinter der Grenze in Österreich Zwangsprostitution genannt.
Die Aufgabe von EUROPOL basiert auf der Charta der Europäischen
Union, deren Ziel es ist, eine friedliche Zukunft auf der Grundlage gemeinsamer Werte zu sichern. Theoretisch ist dies im Vertrag von Maastricht 1992 festgeschrieben. Seit dem praktischen Arbeitsbeginn von EUROPOL, anfangs von nationalen Polizeibehörden als bürokratisches Euro-Monster betrachtet, von denen es bereits viele – und vielen zu viele – gab, wurde die Bekämpfung »schwerwiegender Formen der internationalen Organisierten Kriminalität, von der zwei oder mehr Mitgliedsstaaten betroffen sind«, sukzessive in analytische und operative Strategien umgesetzt. Inzwischen sind es siebenundzwanzig Staaten, die ihre Besten zu EUROPOL entsenden, Dutzende sind assoziiert. Am Auftrag hat sich nichts geändert, nur an der Masse des zu bewältigenden Materials.
Zum Beispiel gab es 2008 genau 283 820 Hinweise, Anfragen, Antworten nach und von Den Haag, die sich in der Statistik ein Jahr später niederschlugen in zwölftausend grenzüberschreitenden Operationen. »Die Erfüllung dieser Aufgabe erfolgt durch Erleichterung des Austauschs kriminalpolizeilicher Informationen und Ermittlungsergebnisse« über Polizisten, die von den einzelnen Staaten nach Den Haag geschickt werden. Aus Deutschland sind es Beamte vom Zoll, vom Verfassungsschutz, von den Landeskriminalämtern und vom Bundeskriminalamt. Sie werden eingesetzt für »die
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