BKA - Die Jaeger des Boesen
erkennen. Etwa Prellungen. Geröteten Stellen auf der Haut. Aggressionen. Daumenlutschen. Oder daran, was ihnen von Kindern erzählt wird über Magen- und Darmstörungen oder regelmäßiges Bettnässen. Kann alles zwar lediglich Ausdruck einer bestimmten Krankheit oder Entwicklungsstörung sein, doch falls mehrere Symptome zusammenkommen, liegt ein Verdacht auf Missbrauch zumindest nahe.
Leider sei die Resonanz bei Richtern ziemlich gering, bedauert Vera Falck. Die kämen nur selten zu den Seminaren, die brauchten, wie sie selbstbewusst betonten, keine Belehrungen. Sie hätten schließlich lange genug studiert und alle Examen bestanden, bevor sie zu Richtern auf Lebenszeit berufen wurden. »Es wäre aber«, sagt Vera Falck, »zum Beispiel hilfreich, wenn bereits während des Jurastudiums die Problematik der besonderen Beziehungen zwischen Opfern und Tätern, Scham und Schuld und Schweigen auf diesem speziellen Gebiet der Sexualdelikte thematisiert würde.«
Lange ist das Thema Kindesmissbrauch von der Justiz nicht als wesentliches Problem der Rechtsprechung betrachtet worden. Doch jetzt, da man weiß, um wie viele Fälle es pro Jahr geht – und dass es in einer durchsexualisierten Zukunft kaum weniger sein dürften, sondern allenfalls mehr Täter erwischt werden –, wäre es umso dringlicher, dass die künftigen Richter besser darauf vorbereitet würden. Je mehr sie über die Methoden der Pädosexuellen wissen, desto besser können sie die Opfer verstehen. Ein diesbezüglich geschulter Richter weiß einfach mehr, was sich dann auch niederschlagen wird in den Urteilen. Weiß zum Beispiel, dass ein Kind bis zum achten Lebensjahr in Bildern denkt und die aufmalt, aber nie präzise Daten nennen kann, was dann Verteidiger oft für ihre Mandanten ausnützen.
Beim kommerziell betriebenen Kindesmissbrauch dürften die Gewinnmargen denen des Menschenhandels ähneln. Für Deutschland schätzt das Bundeskriminalamt den jährlichen Umsatz
in den verschiedenen perversen Formen der Kinderpornografie auf über 200 Millionen Euro. Ein Fall für den Staatsanwalt wird es erst dann, wenn es kriminell wird, wenn den Kindern ein Leid zugefügt wird. Pädophile benützen oft verharmlosende Umschreibungen der sexuellen Ausbeutung wehrloser Kinder, etwa, es sei von ihrer Seite stets ein Akt von Liebe im klassischen griechischen Sinne im Spiel, oder ihr Tun befriedige nach ihrer Überzeugung das tiefe Bedürfnis auch von Kindern nach sexueller Nähe. Wer sich Fotos von Kindern auf seinen Computer lädt und entsprechende Dateien anlegt, wer mit solchen Bildern unter Gleichgesinnten verkehrt, schaut sich zwar das Leid der anderen erregt an, aber kommt meist mit einer Geldbuße davon, allenfalls einer Strafe, die zur Bewährung ausgesetzt wird. Erst wenn nachweislich eine Tat vorliegt, jener oben erwähnte sexuelle Missbrauch, wird härter geurteilt. Aber noch immer zu milde. Der am Anfang dieses Kapitels erwähnte Vater, der für dreieinhalb Jahre ins Gefängnis musste, ist wieder ein freier Mann. Seine Tochter dagegen, die er misshandelt und zerbrochen hat, physisch wie psychisch, ist verurteilt, mit ihren Wunden leben zu müssen. Auch wenn die scheinbar vernarbt sind, können sie in Stresssituationen wieder aufbrechen. Lebenslänglich.
Wie zu viele Richter sind auch zu viele Kinderärzte »fortbildungsresistent«, wie das mir gegenüber weniger anklagend, sondern eher fassungslos ein Beamter des Bundeskriminalamtes ausdrückt. Das hält er für weitaus schlimmer als die ihm ebenso unverständliche Milde mancher Richter. Denn Mediziner sind außer den Eltern und Verwandten die Ersten, die bei ihren kleinen Patienten ihnen höchst verdächtig vorkommende Verletzungen, Hämatome, Prellungen entdecken und das den zuständigen Stellen melden könnten, den Jugendämtern oder am besten gleich der Polizei. Es gibt bundesweit Tag und Nacht besetzte Hotlines, es gibt die Möglichkeit, online Beratung einzuholen. Doch viele Kinderärzte scheuen den Aufwand, der mit einer Anzeige verbunden ist, beziehen sich lieber auf ihre Schweigepflicht. Immerhin gibt es erste Anzeichen, dass sich etwas zu ändern beginnt.
Vermeldet wurde 2010 eine Initiative des Bundesverbandes deutscher Jugend- und Kinderärzte, die sich mit anderen Institutionen, zum Beispiel den Opfervereinen, wenigstens auszutauschen zum Ziel gesetzt hat, um mehr über nicht nur physische, sondern auch psychisch auffällige Symptome von Missbrauch zu erfahren, die ihnen in ihrer
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