BKA - Die Jaeger des Boesen
Telefonüberwachung klangen unverdächtig, denn es ging immer nur um Bestellungen für bestimmte Motoren und nie um bestimmte Mengen von Heroin. Bis einer der Abhörenden auf die simple Lösung kam, dass nicht Motoren gemeint waren, sondern Rauschgiftmengen. Wer sollte drei Motoren ordern, ohne dabei zu erwähnen, für welches Automodell er die denn brauche? Ein »Motor« entsprach einem Kilo Heroin.
Der Einsatz von Wanzen und verdeckten Ermittlern ist keine neue Taktik, aber in Verbindung mit den technischen Mitteln zur Ortung von Handys oder E-Mails bei der Verfolgung des Rauschgifthandels ein Quantensprung – sowohl im Hinblick auf die Prävention als auch bei der Zerschlagung international tätiger Banden. Die berüchtigte Balkanroute wird noch heute genutzt. Am Transportweg des aus Afghanistan oder Pakistan stammenden Heroins nach Westeuropa hat sich seit Jahrzehnten nichts geändert. Nur die Aufträge werden heute online erteilt und die Überweisungen elektronisch statt mit Bargeld im Koffer erledigt. Die Drahtzieher bleiben dadurch erst recht im Dunkeln.
Damals wie heute waren die Fahnder weniger an den kleinen Fischen interessiert, an Straßenhändlern in Amsterdam oder Berlin, London oder Rom, sondern vielmehr an ihren Hintermännern, an den Großhändlern und an den Produzenten. Nur so ließen sich Strukturen zerschlagen. Im Unterschied zu heute waren Daten hauptsächlich auf individuellen Festplatten, in den Köpfen der Ermittler, gespeichert. Falls die außergewöhnlich begabt waren im analytischen Denken, falls es ihnen zudem gelang, gesammelte Informationen zu abstrahieren, auf ihre Kerninhalte zu reduzieren oder ein Muster in ihnen zu erkennen, hatten sie Erfolg. Polizisten, und nicht nur deutsche, waren es gewohnt, aus ihren bisherigen Erfahrungen die notwendigen Schlüsse zu ziehen, die ihnen bei laufenden Ermittlungen als hilfreiches Raster dienen konnten. Doch an einer sich daraus ergebenden Strategie für die Zukunft, einer möglichen Prävention, mangelte es. Aber genau die brauchte es, um der rasanten Entwicklung von konventionellen
Verbrecherbanden hin zu schlagkräftigen kriminellen Organisationen wirksam begegnen zu können.
Im Mai 1990 definierte eine Arbeitsgemeinschaft von Justiz und Polizei, was Organisierte Kriminalität ist und warum die mit einem großen O geschrieben werden musste:
»Organisierte Kriminalität ist die von Gewinn- oder Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind, wenn mehr als zwei Beteiligte auf längere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig
unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnlicher Strukturen,
unter Anwendung von Gewalt oder anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel oder
unter Einflussnahme auf Politik, Medien, öffentliche Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft zusammenwirken.«
Eine richtige Definition, schon recht, mehr allerdings nicht. Organisierte Kriminalität allein ist in Deutschland noch kein Straftatbestand. Paragraf 129 stellt unter Strafe die Bildung einer kriminellen Vereinigung im Inland, ein weiterer die im Ausland. Warum ist es überhaupt wesentlich, die Unterscheidung zu erwähnen? Wenn sich Kriminelle zum Begehen einer Straftat organisieren oder sich vereinigen, ist es letztlich doch egal, ob es hierzulande oder dortzulande geschieht, ob es um Rauschgift, Waffen, Mord, Betrug geht. Eben nicht.
Die Polizei ermittelt auf dem Dunkelfeld der Organisierten Kriminalität, die Justiz klagt dann, wenn dank der Ermittlungen ein Teil des Dunkelfeldes erhellt wurde, an wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. Beim Rauschgifthandel sind es immer mehrere, die sich zu einer Bande zusammenschließen – einer hat das Zeug, einer liefert es, einer nimmt es ab, einer verkauft es –, dahinter stehen immer logistische Strukturen, die Definition OK ist also erfüllt. Aber auch Einzeltäter, die mit Einschüchterung,
mit Erpressung, mit Androhung von Gewalt Einfluss zu nehmen versuchen in der Verwaltung, in der Politik, und dabei auf gewachsene Verbindungen zu gewissen Banden verweisen, werden beim Bundeskriminalamt in der Abteilung Schwere und Organisierte Kriminalität registriert. Im Hellfeld der Organisierten Wirtschaftskriminalität tauchen zwar diese und jene Milliarden Euro auf, doch das Dunkelfeld dürfte gigantisch sein, mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Volkswirtschaft.
Die richtige Zuordnung verschiedener »Beete« zum weiten Feld der
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