BKA - Die Jaeger des Boesen
nicht gespannt worden war.Wir haben alle, auch ich, Anfang der 1980er-Jahre, noch nicht begriffen, welche Verbindungen es gibt zwischen Rauschgift und Waffen, Falschgeld und Prostitution.«
Die gesamte Palette Organisierter Kriminalität war zwar in Wirklichkeit bereits vorhanden, doch ein Gesamtbild aus den
einzelnen Farben noch nicht gemalt und zudem die Polizei insgesamt sektoral organisiert. Die einen kümmerten sich um den Handel mit Rauschgift, die anderen um den mit Waffen, Dritte suchten nach Produktionsstätten von Falschgeld. Um Menschenhandel musste man sich nicht groß sorgen, den gab es dank geschlossener Grenzen, insbesondere des hermetisch gesicherten Eisernen Vorhangs, in Europa noch nicht als kriminalistisches Phänomen.
Erschwerend für gemeinsame Aktionen erwies sich von Fall zu Fall immer wieder die Konkurrenzsituation zwischen Bundes- und Länderpolizeien, zum Teil auch noch der Zollfahndung, die an den Grenzen zwar bei Gelegenheit Drogen sicherstellte, aber keine weitergehenden Ermittlungen machte. Ratzel: »Die hatten den Täter, das Auto und das Rauschgift, und damit war der Fall aus deren Sicht abgeschlossen. Das BKA aber brauchte mehr, brauchte Strukturen, um einen Rauschgiftring zerschlagen zu können. Was ich damals eher intuitiv begriff und heute natürlich erst recht weiß, dass es nicht ausreicht, wenn sich der Beamte A und der Beamte B kennen, sondern dass man von diesem Personal Trust , von der persönlichen Vertrauensbasis zu einer institutionellen Vertrauensbasis kommen muss.«
Um mehr über ihre Kunden zu erfahren, mussten Drogenfahnder Handarbeit leisten, indem sie aus Listen der bei Grenzkontrollen von Verdächtigen kopierten Pässe und Stempel handschriftlich Schaubilder erstellten und auf denen nach auffälligen Verbindungen suchten. Falls sich bei gewissen Reisenden immer wieder Überschneidungen ergaben, lag der Verdacht auf der Hand, dass hier nicht der Zufall seine Hände im Spiel hatte, sondern die im Hintergrund agierenden Bosse einer Bande die ihren. Kriminalpolizeiliche Denkarbeit aber beginnt an solchen Schnittstellen wie den in den folgenden beiden Fällen zutage tretenden. Eines Tages fiel beim Grenzübertritt von Holland nach Deutschland ein Mann auf, der eine größere Menge von Bargeld unter der Manschette des Schalthebels in seinem Auto versteckt hatte. Das war zwar nicht verboten, doch bei einer Summe
von 500 000 Gulden stieg selbst in einem durchschnittlich befähigten Zollbeamten der Gedanke auf, dass hier irgendwas nicht stimmen konnte. Das stimmte. Er meldete den Fall. Die Information landete in Wiesbaden beim Bundeskriminalamt. Sie passte in ein Schaubild über Grenzverkehr zwischen den Niederlanden, wo die meisten europäischen Rauschgiftdepots vermutet wurden, und Deutschland, wo wiederum die Strafen für Dealer ungleich höher waren als bei den Nachbarn. Weshalb es der Kopf des Rauschgiftrings vorzog, Holland nie zu verlassen. Man hätte ihn deshalb im Hoheitsgebiet der deutschen Polizei nie erwischt.
Doch einer seiner aufgeflogenen Kuriere hatte bei einem Verhör zu viel geplaudert, weil er der irrigen Auffassung war, die ihm gegenübersitzenden Herren der Kripo wüssten eh schon alles, und je mehr er freiwillig zu deren Erkenntnisstand beitragen würde, desto höher würde seine Chance auf eine niedrigere Strafe sein. Unter anderem erzählte er, dass sein Chef plane, für eine notwendige medizinische Zahnbehandlung mit einem gefälschten Pass bald nach Deutschland zu kommen.
Bei dieser Einreise nahmen ihn Zollfahnder fest. Sie entdeckten zwar kein einziges Gramm Rauschgift in seinem Auto, nicht einmal Haschisch. Doch das half ihm nicht mehr, denn in Holland hatten Drogenfahnder parallel zur Grenzaktion nach einem Hinweis persönlich bekannter Kollegen vom BKA den Lageristen verhaftet, der die Ware des Delinquenten verwaltete. Er verriet seinen Chef. Es wurde tonnenweise Rauschgift sichergestellt und das Verteilernetz mit den Adressen aller Zwischenhändler gefunden, die auf das Kommando ihres an der Grenze dingfest gemachten Bosses hörten. Die Beweislast war erdrückend, der Prozess fand in Deutschland statt, weil der Mann auf deutschem Staatsgebiet festgenommen worden war. Er bekam wegen Rauschgifthandel die hierzulande mögliche Höchststrafe von fünfzehn Jahren Gefängnis.
In einem anderen Fall waren es offizielle Autowerkstätten, in denen die ermittelnden Beamten Zwischendepots für Rauschgift
vermuteten. Aufzeichnungen der
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