BKA - Die Jaeger des Boesen
EC-Karten: rund 40 Millionen Euro. Technisch versierte Betrüger übertragen dabei auf White Plastics , womit im Fachjargon »jungfräuliche« Kreditkarten gemeint sind, die beim Skimming abgeschöpften Daten, und diese Karten setzen dann Cyber Criminals ein, um fremde Konten zu entschlacken.
Entweder werden insgeheim bereits auf dem Weg zum Geldautomaten Daten geklaut, weil eine EC-Karte, vom nichts ahnenden Kunden benutzt, schon beim Öffnen der verschlossenen Tür zum Schaltervorraum einen heimlichen, unsichtbaren Mitleser hat. Oder aber bei Gelegenheit eingebaute Minikameras und über den Tastaturen der Automaten angebrachte durchsichtige Folien zeichnen beim Vorgang des Geldabhebens die Geheimzahlen (PIN) der Bankkunden auf. Im ersten Halbjahr 2010 wurden bereits so viele Fälle registriert wie im gesamten Jahr 2009. Manche Geldautomaten erwischte es trotz aller Maßnahmen der Banken mehrfach. Ihre Rechner, die das System schützen sollen, werden von Fall zu Fall mit einer DDoS-Attacke mattgesetzt. DDoS steht für »Distributed Denial of Service«, die koordiniert herbeigeführte Überlastung eines Servers durch massenhafte Anfragen, womit dann die Maschine ihren eigentlichen Dienst verweigert, nämlich den der Abwehr von kriminellen Online-Attacken.
Selbstverständlich weiß Hauptkommissar Mirko Manske dennoch alles darüber, auch alles über White Plastics und Bots und Drops und Proxies und Phishing und was noch so alles mit den Methoden der Internetbetrüger zu tun hat und dessen Vokabular sich für Laien liest oder anhört, als handelte es sich um Slang aus der Raverszene oder um Begriffe aus der Drogenberatung. Fast sämtliche Begriffe dieser Art von digitaler Kriminalität stammen aus dem Englischen, denn das Internet mit all seinen Möglichkeiten wurde in den USA bzw. in internationaler Kooperation in der Weltkommunikationssprache Englisch erfunden.
Vieles in gängigen Computerprogrammen geschieht bekanntlich automatisch, weil sich gewisse Abläufe, ganz egal, wo auf der Welt ein PC hochgefahren wird, stets wiederholen. Dienstboten innerhalb eines Programms, die sich um diese langweiligen Aufgaben selbstständig kümmern, heißen Bots , abgeleitet von robots , Roboter. Sie sind legal. Die illegale Variante ist bei den digitalen Kriminellen deshalb so beliebt, weil sie technisch in der Lage sind, Bots zu manipulieren, sie auf fremden Rechnern zu installieren und sich ihrer für kriminelle Aktivitäten zu bedienen. Betrug mit illegalen Botnets zählt deshalb zu den Geschäftsfeldern mit den höchsten Gewinnmargen, denn da lassen sich, von den Computerbesitzern unbemerkt, Millionen von Daten herausziehen und irgendwo auf der Welt für kriminelle Zwecke nutzen.
Die Betreiber von solchen Botnets setzen zusätzlich ihre virtuellen Kumpane namens Proxies als Stellvertreter ein, die dann, so wie Mittelsmänner im realen Verbrecherleben, die wahren Hintermänner einer betrügerischen Aktion tarnen. Infizierte Rechner werden entweder ferngesteuert oder direkt als Wirtstier genutzt, wovon die Inhaber der Geräte nichts merken. Für virtuelle Überfälle brauchen Cyber Criminals schließlich keine große bewaffnete Bande wie die Kriminellen für ihre Aktionen draußen, es reichen ein paar mit den richtigen Tools ausgestattete Spezialisten, um Millionen von PCs zu attackieren.
Per DDoS wird inzwischen sogar ganz klassisch Schutzgeld erpresst. Es müssen nicht mehr finstere niedere Chargen einer Mafia-Bande von Geschäft zu Geschäft fahren, von Trattoria zu Ristorante, um deren Besitzern gegen Gebühr ihren Schutz anzubieten oder größere Probleme für den Fall, dass sie sich weigern sollten zu bezahlen. Das geht heute alles schneller und effektiver. Mit DDoS lassen sich zum Beispiel, um der Forderung nach Schutzgeld per Web Money ganz ohne physische Gewalt mehr Nachdruck zu verleihen, die Homepages der betroffenen Firmen mal kürzer, mal länger stilllegen, sodass sie online keine Geschäfte mehr machen können. Sie werden erst dann wieder vom Würgegriff der DDoS-Gangster befreit, wenn sie aufgeben und künftig
das geforderte Schutzgeld pünktlich bezahlen – auf ein Konto in der Karibik, in Russland, auf den britischen Kanalinseln.
Oder aber das erpresste Geld muss als angeblicher Wetteinsatz fürs Online-Gambling überwiesen werden. Da lässt sich im Internet am besten verschleiern, woher gewisse Einnahmen tatsächlich kommen. Diese moderne Form der Geldwäsche funktioniert ganz einfach. Illegal
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