BKA - Die Jaeger des Boesen
Kinderpornografie auf weltweit achtzehn Milliarden Dollar. Das entspricht ungefähr dem, der mit illegalem Waffenhandel erzielt wird. Andere Schätzungen gehen eher von fünf Milliarden aus.
2007 wurde eine Website mit Kindern in eindeutigen Posen in Deutschland ins Netz gestellt und zwei bis drei Monate lang beworben. Bei regelmäßigen Transfers auf ein bestimmtes Konto in Manila, hieß es da, würde es im Gegenzug kinderpornografisches Hardcore-Material geben. Hunderte von deutschen Pädophilen überwiesen daraufhin jeweils 79,99 Dollar, nicht ahnend, dass die Seite bereits den Jägern des Bundeskriminalamtes und einer im Kampf gegen Kinderpornografie engagierten Gruppe von Fahndern in Sachsen-Anhalt aufgefallen war. Sie nannten ihre Ermittlungen die »Operation Mikado«.
Um herauszufinden, welche deutschen Kunden auf jenes Konto in Manila Geld überwiesen hatten, ließ man die bei vierzehn Kreditkartengesellschaften in einem bestimmten Zeitraum angefallenen Kreditkartendaten von zweiundzwanzig Millionen Deutschen überprüfen, also allen, die eine Kreditkarte benutzen. Der damals die Ermittlungen leitende Oberstaatsanwalt Peter Vogt hatte Glück, wie er sagt, denn nur durch einen Zufall stieß er im Nirwana des Internet auf die Spur des Geldes. Über die Seite, die ein Journalist entdeckt hatte, kamen sie nicht weiter. Über den Provider, der irgendwo im Ausland diese Seite vertrieb,
auch nicht. Als er die ermittelten Daten von KiPo-Kunden aber, was in leistungsstarken Großrechnern machbar ist, mit den zweiundzwanzig Millionen Daten von deutschen Kreditkartenbenutzern vergleichen ließ, gab es dreihundertzweiundzwanzig Übereinstimmungen. Zusammen hatten diese speziellen Kunden in nur zwei Monaten fünfundzwanzigtausend Dollar eingezahlt. Falls jedoch in nur zehn weiteren Ländern diese eine KiPo-Seite offeriert wurde, wobei die Ermittler davon ausgingen, dass es eher zwanzig, dreißig derartige Seiten waren, und auch da jeweils fünfundzwanzigtausend Dollar anfielen, landet man hochgerechnet bereits mit einer einzigen Seite in einem einzigen Monat bei einer Summe von zweihundertfünfzigtausend Dollar. Und falls außerdem die Zahl annähernd stimmt, die UNICEF nennt, dass es im Internet weltweit vier Millionen Seiten mit kinderpornografischen Angeboten gibt, dann wäre man tatsächlich bei einem Milliardengeschäft, und dann ist es geradezu zwingend, dass sich organisierte Kriminelle in dem Markt breitmachen.
Um die zu erwischen, muss es ebenso zwingend der Polizei erlaubt sein, technisch möglichst perfekt ausgerüstet und gesetzlich abgesichert, die Spur des Geldes aus der Karibik oder aus Asien zurückzuverfolgen zu den Absendern in Deutschland und Europa, zu den bei Prozessoren oder Banken gespeicherten Daten von Kreditkarten oder Konten. Nur so lässt sich feststellen, mit welcher Karte von wem auf jenes ferne Konto eingezahlt wurde, und nur so klingelt bei denen morgens nicht der Postbote, sondern die Polizei. Dass die Jäger mit dem Datenschutz in Konflikt geraten können, liegt in der Natur der Sache und ist manchmal geradezu unvermeidlich. Max-Peter Ratzel weiß zwar, dass es »eine stetige Gratwanderung ist. Aber wenn man Kinder aus aktuellen Situationen des Missbrauchs herausholen will, wenn man sie befreien will, ist der Vergleich von Daten, ist die Suche im Internet per Datenfahndung unabdingbar.«
Ohne Datenabgleich sind weder die Produzenten noch die Konsumenten des Horrors zu packen. Ohne gespeicherte Daten
sind die neu ermittelten wertlos. Ohne verwertbare Daten endet die Spur des Geldes im Niemandsland. In dem findet mit Kindern das statt, was allgemein »sexuelle Gewalt« genannt wird. Grundsätzliches Misstrauen gegen Daten sammelnde Behörden war und ist angesichts historischer Erfahrungen aus dem Dritten Reich, aufgedeckter Polizeiskandale in Deutschland West und der Erkenntnisse über staatlich beauftragte Stasi-Schnüffelbanden in Deutschland Ost zwar verständlich. Und in vielen Fällen war es ja auch berechtigt. Da half zuweilen nur Bürgerwehr gegen den Leviathan Staat. Aber man darf den Staat auch nicht wehrlos machen gegen das Böse, gegen die Kriminellen. Dann können Polizei und Justiz ihre Pflichten nicht erfüllen, die Bürger – und ihre Rechte – zu schützen.
Doch wer einmal Fotos von sexuell misshandelten Kindern – oder schlimmer noch: misshandelten Babys – auf den Bildschirmen der Ermittler gesehen hat, wer, was noch unerträglicher ist, ihre hilflos um Gnade
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