Black Box BER: Vom Flughafen Berlin Brandenburg und anderen Großbaustellen. Wie Deutschland seine Zukunft verbaut (German Edition)
Naivität der Politiker im Umgang mit einem ausgebufften Baukonzern. Im Falle des Hauptstadtflughafens bedienten sich die Verantwortlichen hauptsächlich aus den Fehlerquellen des Kleinrechnens beziehungsweise der privaten Finanzierung sowie der Unstrukturiertheit und Unangemessenheit der Bauaktivitäten. Diese Behauptung werde ich im folgenden Kapitel präzisieren.
Von Erfüllungsgehilfen und Widerstandskämpfern
Nicht nur die Selbst- und Fremdbilder des Architekten haben sich im Verlauf meiner beruflichen Tätigkeit verändert, bis hin zur Agonie der Expertokratie. Im Falle des Hauptstadtflughafens veränderte sich ebenfalls das international geläufige Muster der Projektplanung und -realisierung. In jedem von gmp als Generalplaner – beginnend mit der ersten Konzeption bis zur Baufertigstellung – betreuten Flughafenprojekt, ob in Berlin-Tegel, Stuttgart oder Hamburg, Algier oder Ancona, sah das Muster folgendermaßen aus:
Zunächst lobte der jeweilige Bauherr einen Architektenwettbewerb aus, zu dem ein beschränkter Kreis im Flughafenbau erfahrener Architekten entweder nach Herkunftsländern oder nach Präqualifikation geladen wurde. Bauherr war ein bereits bestehendes Konsortium (Vorstand der Flughäfen in Hamburg, Stuttgart, Algier und Ancona), teilweise in Zusammenarbeit mit der Kommune, teilweise in Zusammenarbeit mit dem Bund beziehungsweise dem StaatAlgerien, in einigen Fällen in Zusammenarbeit mit einem Privatinvestor.
Die aufgeforderten Architekten hatten, zuweilen unterstützt durch die bauherrschaftlich geforderte Mitwirkung von Fachleuten, ein für den jeweiligen Wettbewerb verbindliches Programm zu erarbeiten, das vor allem die Beschaffenheit und Größe des vorgesehenen Baugeländes sowie Größenordnungen für die Passagierabfertigungen mit den erwartbaren Passagierzahlen auswies, hochgerechnet auf zukünftige Entwicklungen, um den Flughafen möglichst flexibel veränderten Anforderungen anpassen zu können. Das war die verbindliche Geschäftsgrundlage des Wettbewerbs. Die Architekten reichten ihre unterschiedlichen Lösungen ein, die von einer aus Sach- und Preisrichtern besetzten Jury beurteilt und in ein Ranking überführt wurden. Oder die Jury wählte einen Entwurf für die Realisierung des Projekts aus. Die Jurykommentare waren gelegentlich mit Verbesserungsvorschlägen, Überarbeitungsanforderungen oder dergleichen verbunden. Zu jedem Zeitpunkt war jedoch die Rollenverteilung zwischen dem Bauherrn, den teilnehmenden Architekten und der Jury, deren Mitwirkung zeitlich eingeschränkt war, bis zur Beendigung des Wettbewerbs eindeutig.
Mit dem Gewinner des Wettbewerbs wurde ein Architektenvertrag abgeschlossen. Er beinhaltete einen Generalplanungsvertrag, der die Zuordnung der Subunternehmer, Ingenieure und Sonderfachleute festlegte. Einige der Verträge sahen auch eine abschnittsweise Beauftragung vor, die dazu diente, weitere Phasen nur unter der Voraussetzung zur Bearbeitung freizugeben, dass die vorhergegangenen Arbeiten von Erfolg gekrönt waren, die Kooperation von Bauherren und Architekten geklappt hatte und die Zustimmung übergeordneter Gremien fand. In all diesen Verfahren stand das Prinzip des dialogischen Planens und Entwerfens im Vordergrund, ein Prinzip der ausgewogenen Mitwirkung aller am Prozess des Bauens beteiligten Personen und Institutionen.
Bei der Projektplanung des Flughafens in Schönefeld war alles anders. Es gab keine eindeutige Definition der Bauherrschaft. Vielmehr wurde ein Konsortium aus Nicht-Fachleuten, sprich: fachunkundigen Planern aus den Flughäfen Berlin-Tegel, Berlin-Schönefeld und Berlin-Tempelhof, zusammengestellt, aufgefüllt mit hohen Beamten aus dem Bundesverkehrsministerium und mit Vertretern der Länder Brandenburg und Berlin. Dieses Konsortium hatte jedoch keine wie in der regulären GRW (Grundsätze und Richtlinien für Wettbewerbe auf den Gebieten der Raumplanung, des Städtebaus und des Bauwesens) vorgesehene eindeutige Definition seiner Aufgabe, weder die eines Auftraggebers noch die eines Fachpreisgerichtes. Funktionen, die eigentlich dafür sorgen sollen, aus dem Angebot der Planer die beste Lösung für den Flughafen Berlin-Schönefeld auszuwählen.
Die teilweise äußerst missglückten Vorphasen des BER-Projekts, kulminierend in der Absicht, es von Privatunternehmen realisieren, finanzieren und betreiben zu lassen, führten von vornherein zu einer mehr oder weniger chaotischen Verteilung der Zuständigkeiten. Im Prozess
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