Black Box: Thriller (German Edition)
die Mandelbäume waren nicht mehr da. An ihrer Stelle standen dort verkohlte Stümpfe mit kahlen schwarzen Zweigen, die wie Hände nach ihm griffen. In der Ferne war das Bellen eines wütenden Hundes zu hören. Bosch versuchte, so schnell wie möglich voranzukommen, doch der Hund kam immer näher.
28
B osch wurde vom Summen des auf seiner Brust liegenden Handys aus tiefem Schlaf gerissen. Sein erster Gedanke war, dass es seine Tochter war, die entweder irgendein Problem hatte oder sich über Hannah ärgerte. Der Wecker auf dem Nachttisch zeigte 4 : 22 Uhr an.
Er griff nach dem Handy, sah aber nicht das Foto Maddies mit herausgestreckter Zunge, das bei ihren Anrufen auf seinem Display erschien. Er schaute nach der Nummer und sah, dass sie die Vorwahl 404 hatte. Atlanta.
»Hier Detective Bosch.«
Er richtete sich auf und blickte sich nach seinem Notizbuch um. Doch dann fiel ihm ein, dass es im Auto war. Er merkte, dass er bis auf das Handtuch um seine Hüften nackt war.
»Hallo, hier spricht Charlotte Jackson. Sie haben mir gestern eine Nachricht aufs Band gesprochen. Ich habe sie erst gestern Abend abgehört. Ist es bei Ihnen noch zu früh?«
Bosch kam langsam zu sich. Er erinnerte sich an den Anruf, den er im Steakhouse von Charlotte Jackson Nummer vier bekommen hatte. Demnach musste das Charlotte Jackson Nummer drei sein. Es war der einzige ausstehende Rückruf. Er erinnerte sich, dass sie in der Ora Avenue in East Atlanta wohnte. »Das macht nichts, Ms. Jackson«, sagte er. »Schön, dass Sie zurückrufen. Wie bereits in meiner Nachricht erwähnt, bin ich Detective beim Los Angeles Police Department. Ich bin in der Einheit Offen-Ungelöst, in der wir kalte Fälle bearbeiten, falls Ihnen das etwas sagt.«
»Ich habe im Fernsehen immer
Cold Case
geschaut. Klasse Serie.«
»Aha. Also, ich habe hier einen alten Mordfall und versuche, eine Charlotte Jackson zu erreichen, die 1991 im Zweiten Golfkrieg beim Militär war.«
Darauf wurde es erst einmal still, und Bosch wartete auf eine Antwort.
»Ja … war ich. Ich war am Golf, aber ich kenne niemanden in Los Angeles, erst recht niemanden, der ermordet wurde. Ich verstehe das nicht.«
»Ja, natürlich. Mir ist durchaus bewusst, dass Ihnen das alles etwas verwirrend erscheinen muss. Aber wenn Sie bereit wären, mir ein paar Fragen zu beantworten, könnte mir das unter Umständen helfen, verschiedene Dinge besser zu verstehen.«
Er wartete wieder auf eine Reaktion. Es kam keine.
»Ms. Jackson? Sind Sie noch dran?«
»Ja, natürlich. Stellen Sie mir Ihre Fragen. Aber ich habe nicht viel Zeit. Ich muss gleich los. Zur Arbeit.«
»Okay, dann werde ich versuchen, mich zu beeilen. Rufen Sie von Ihrem Festnetzanschluss an oder von Ihrem Handy?«
»Von meinem Handy. Sonst habe ich kein Telefon.«
»Okay, und Sie sagen, Sie waren beim Militär und haben bei Desert Storm gedient. Bei welcher Waffengattung waren Sie?«
»Bei der U.S. Army.«
»Sind Sie immer noch bei der Army?«
»Nein.«
Das sagte sie, als hätte Bosch eine dumme Frage gestellt.
»Wo waren Sie hier in den Staaten stationiert, Ms. Jackson?«
»In Benning.«
Auch Bosch war während seiner Militärzeit eine Weile in Fort Benning gewesen. Es war seine letzte Stationierung vor Vietnam gewesen. Deshalb wusste er, dass es zwei Stunden Fahrt von Atlanta entfernt war, Anneke Jespersens erster Station nach ihrer Ankunft in den Vereinigten Staaten. Er hatte das Gefühl, auf eine Spur gestoßen zu sein. Irgendeine verborgene Wahrheit stand kurz davor, an den Tag zu kommen. Er gab sich Mühe, einen gleichbleibend unaufgeregten Ton beizubehalten.
»Wie lange waren Sie am Persischen Golf?«
»Insgesamt etwa sieben Monate. Zuerst bei Desert Shield in Saudi-Arabien, und dann sind wir zum Bodenkrieg nach Kuwait verlegt worden. Desert Storm. Im Irak selbst war ich nie.«
»Hatten Sie in dieser Zeit mal Fronturlaub, und waren Sie auf dem Kreuzfahrtschiff
Saudi Princess?
«
»Klar«, antwortete Jackson. »Irgendwann war das praktisch jeder mal. Aber was hat das mit einem Mord in L.A. zu tun? Ich verstehe wirklich nicht, warum Sie angerufen haben, und wie gesagt, ich muss gleich zur Arbeit, deshalb …«
»Ms. Jackson, ich versichere Ihnen, es gibt berechtigte Gründe für meinen Anruf, und vielleicht können Sie uns helfen, einen Mord aufzuklären. Darf ich fragen, was Sie zur Zeit beruflich machen?«
»Ich arbeite im Justice Center von Atlanta. Das ist in Inman Park.«
»Aha. Sind Sie
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