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Black Box

Black Box

Titel: Black Box Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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holen.
    Sie hielten einander noch immer in den Armen, als er die Stimme eines Kindes hörte: »Mom, wen umarmst du da?«
    Bobby Conroy öffnete die Augen und wandte den Blick nach rechts. Ein kleiner toter Junge mit bläulichem Gesicht und fettigen schwarzen Haaren starrte missmutig zu ihnen hoch. Er trug einen Kapuzenpulli, dessen Kapuze hochgezogen war.
    Harriet lockerte ihren Griff. Auch sie hatte sich dem Jungen zugewandt, und Bobby spürte, wie sie sich von ihm zurückzog. Bobby ließ den Blick noch einen Moment lang auf dem Kind liegen – das Kerlchen war nicht älter als sechs –, dann senkte er ihn zu Harriets Hand mit dem Ehering am Ringfinger.
    Als Bobby sich wieder dem Jungen zuwandte, zwang er sich zu einem freundlichen Hallo-Kumpel-Lächeln. Während seiner Zeit in New York hatte er über siebenhundertmal irgendwo vorgesprochen, und sein Repertoire an aufgesetzten Grimassen war inzwischen unerschöpflich.
    »Hallo, Kumpel«, sagte er. »Ich bin Bobby Conroy. Deine Mom und ich kennen uns von ganz früher, als noch Mammuts über die Steppen stampften.«
    »Ich heiße auch Bobby«, sagte Bobby. »Kennst du dich mit Dinosauriern aus? Dinosaurier sind irgendwie echt cool.«
    Bobby spürte wieder einen Stich im Herzen, ein wehmütiges Gefühl, das ihn völlig kalt erwischte. Er sah zu Harriet hinüber – er konnte nicht anders –, und stellte fest, dass sie ihn beobachtete. Ihr Lächeln wirkte ängstlich und angestrengt.
    »Das war die Idee von meinem Mann«, sagte sie. Aus irgendeinem Grund tätschelte sie ihm das Bein. »Nach einem der Yankees. Er kommt ursprünglich aus Albany.«
    »Mit Mammuts kenne ich mich aus«, sagte Bobby zu dem Jungen. Überrascht stellte er fest, dass seine Stimme dabei völlig normal klang. »Das sind riesige haarige Elefanten so groß wie ein Schulbus. Früher sind sie über die Hochebenen von Pennsylvania gezogen und haben überall riesige Mammuthaufen zurückgelassen. Aus einem dieser Haufen wurde dann später Pittsburgh.«
    Der Junge lächelte und schaute kurz zu seiner Mutter hinüber – vielleicht um abzuschätzen, was sie von dieser beiläufigen Bemerkung über »Mammuthaufen« hielt. Harriet lächelte nachsichtig.
    Bobby bemerkte die Hand des Jungen und zuckte zurück. »Baah! Mann, das ist die beste Verletzung, die ich heute gesehen habe. Was ist das – eine Prothese?«
    An der linken Hand des Jungen fehlten drei Finger. Bobby griff nach ihr und zog daran, in der Erwartung, dass sie abgehen würde. Aber unter der blauen Schminke fühlte sie sich warm und weich an. Der Junge riss sich von Bobby los.
    »Nein«, sagte er. »Das ist nur meine Hand. Die ist einfach so.«
    Bobby lief rot an, bis ihm die Ohren brannten, und er war froh um die Schminke. Harriet berührte ihn am Handgelenk.
    »Ihm fehlen diese Finger wirklich«, sagte sie.
    Bobby sah sie an und rang um Worte. Ihr Lächeln wirkte nicht mehr ganz so überzeugend, aber sie schien nicht wütend auf ihn zu sein, und ihre Hand auf seinem Arm war ein gutes Zeichen.
    »Sie ist in eine Tischsäge geraten«, erklärte der Junge. »Aber daran kann ich mich nicht mehr erinnern, ich war noch zu klein.«
    »Dean handelt mit Bauholz«, sagte Harriet.
    »Wankt Dean hier auch irgendwo rum?«, fragte Bobby und reckte suchend den Hals, obwohl er natürlich keine Ahnung hatte, wie Harriets Dean aussah. Der Innenhof in der Mitte des Einkaufszentrums war voller Menschen, und alle waren wie Tote geschminkt. Sie saßen auf Bänken beieinander oder standen in Gruppen zusammen, lachten über ihre Wunden oder blätterten in den kopierten Drehbuchseiten. Das Einkaufszentrum war geschlossen. Die Türen der Geschäfte waren mit Gattern oder Plexiglas gesichert. Die Filmcrew und die Untoten waren unter sich.
    »Nein, er hat uns hier abgesetzt und ist dann zur Arbeit gefahren.«
    »An einem Sonntag?«
    »Er ist Freier und ständig am Ackern.«
    Eine bessere Vorlage für eine Pointe hätte sich kaum bieten können, und Bobby hielt einen Moment inne, um sich eine auszudenken … doch da wurde ihm bewusst, dass es keine besonders gute Idee wäre, sich vor Deans Frau und Deans fünfjährigem Sohn über Dean lustig zu machen, ganz egal, ob sie während ihres letzten Jahres an der Highschool dicke Freunde und das Königspaar des »Tödlichen Klamaukkollektivs« gewesen waren. Also sagte er: »Wirklich? Das ist Klasse.«
    »Mir gefällt der große eklige Riss, den du im Gesicht hast«, sagte der kleine Junge und deutete auf Bobbys Stirn. Unter

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