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Black Box

Black Box

Titel: Black Box Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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und sich dabei herausstellte, dass er und Bobby Zwillinge waren? Ihm wurde für einen Moment schummrig – aber dann fiel ihm wieder ein, dass er mit seinem bläulichem Gesicht und der Kopfwunde wie eine Leiche geschminkt war. Selbst wenn sie genau gleich aussähen, würden sie einander nicht ähnlich sehen.
    Romero erteilte letzte Anweisungen, wie man als Zombie zu laufen habe, und führte es vor, indem er die Augen nach innen rollte und eine völlig ausdruckslose Miene aufsetzte. Dann versprach er, dass sie in wenigen Minuten mit den Dreharbeiten beginnen würden.
    Harriet drehte sich auf dem Absatz um, stemmte die Arme in die Hüfte und klimperte ihn theatralisch mit den Augen an. Er hatte sich im selben Moment umgedreht, und fast wären sie zusammengeprallt. Sie öffnete den Mund, aber nichts kam heraus. Sie standen zu dicht beieinander, und die unerwartete körperliche Nähe schien sie aus der Bahn zu werfen. Sie wusste auf einmal offenbar nicht mehr, was sie gerade hatte sagen wollen. Auch er wusste nichts zu sagen, sein Verstand war plötzlich wie leer gefegt. Sie lachte und schüttelte den Kopf, aber irgendwie wirkte es gekünstelt und drückte eher Angst als Freude aus.
    »Lass dich nicht unterkriegen, Kumpel«, sagte sie. Ihm fiel ein, dass sie immer nahtlos in eine John-Wayne-Imitation verfiel, wenn ein Sketch nicht gut lief. Früher war ihm diese nervöse Angewohnheit zuwider gewesen, aber jetzt fand er sie unbeschreiblich liebenswert.
    »Wann bekommen wir denn endlich was zu tun?«, fragte Klein-Bobby.
    »Bald«, sagte sie. »Warum übst du nicht ein bisschen, wie ein Zombie zu laufen. Untot durch die Gegend zu wanken ist gar nicht so einfach.«
    Bobby und Harriet setzten sich wieder auf den Rand des Springbrunnens. Ihre Hände waren ausgesprochen klein und lagen jetzt zu Fäusten geballt auf ihren Oberschenkeln. Sie hatte den Kopf gesenkt, das Gesicht ausdruckslos, den Blick nach innen gerichtet. Wieder rieb sie die nackten Zehen aneinander.
    Ohne lange nachzudenken, redete er drauflos. Einer von ihnen musste doch etwas sagen!
    »Ich kann’s nicht fassen, dass du verheiratet bist und ein Kind hast!«, sagte er in einem Tonfall überraschter Freude, den er sonst Freunden vorbehielt, die gerade eine Rolle bekommen hatten, um die er sich selbst beworben hatte. »Der Sohnemann, den du da mit dir rumschleppst, ist wirklich großartig. So was von süß! Aber wer kann schon einem halb verwesten Jungen widerstehen?«
    Mit einem Mal schien sie wieder in die Realität zurückzukehren. Fast schüchtern lächelte sie ihn an.
    »Und du musst mir alles über diesen Dean erzählen, darum kommst du nicht herum.«
    Sie nickte und blickte wieder zu Boden. Das Haar fiel ihr in die Stirn und verdeckte ihre Augen. »Er kommt später vorbei, um mit uns Mittagessen zu gehen. Komm doch mit.«
    »Das wäre super!«, rief Bobby begeistert. Dabei merkte er selbst, wie überdreht er klang, und nahm sich vor, seinen Enthusiasmus künftig etwas zu dämpfen.
    »Wenn er jemandem zum ersten Mal begegnet, kann er wirklich schüchtern sein, also erwarte nicht zu viel.«
    Bobby winkte ab – kein Problem. »Das wird toll. Es gibt so viel, worüber wir reden können. Holzlager und Spanplatten haben mich schon immer fasziniert, das weißt du doch.«
    Er ging ein ziemliches Risiko ein, indem er ihren Mann verulkte, ohne ihn überhaupt zu kennen. Aber sie lächelte nur und sagte: »Alles, was Sie jemals über Sperrholz wissen wollten, aber nicht zu fragten wagten.«
    Einen Moment lächelten beide, wenn auch ein bisschen hilflos, und ihre Knie berührten sich beinahe. Sie hatten eigentlich nie ernsthaft miteinander geredet. Die meiste Zeit waren sie immer halb auf der Bühne gewesen und hatten stets nach einer Pointe gesucht, die zu dem passte, was der andere gerade gesagt hatte. Das zumindest hatte sich nicht geändert.
    »Himmel, ich kann gar nicht glauben, dass wir uns hier über den Weg gelaufen sind«, sagte sie. »Ich hab mich immer wieder gefragt, was aus dir geworden ist. Ich musste oft an dich denken.«
    »Wirklich?«
    »Ich bin davon ausgegangen, dass du inzwischen längst berühmt bist«, sagte sie.
    »He, das ging mir mit dir genauso«, sagte er und blinzelte ihr zu. Sofort wünschte er, er hätte das nicht getan. Das war aufgesetzt gewesen, und ihr gegenüber wollte er nicht aufgesetzt wirken. Hastig plapperte er weiter und beantwortete eine Frage, die sie gar nicht gestellt hatte. »Ich lebe mich langsam ein. Ich wohne jetzt

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