Black Box
hier? Ich überlege, ob ich nicht ein Remake drehen soll. Erneut wirft Steven Alec aus den Augenwinkeln einen verstohlenen Blick zu. Dann streckt er unvermittelt die Hand aus und berührt Alec am Arm. Weißt du, wieder in New Hampshire zu sein, hat in mir einiges wachgerufen. Ich habe von unserer alten Freundin geträumt, was sagst du dazu?
Unserer alten …, beginnt Alec, dann begreift er, wen Steven meint.
Ja, ich habe geträumt, das Rosebud hätte zugemacht. Vor der Eingangstür hing eine Kette, und die Fenster waren mit Brettern vernagelt. Und drinnen habe ich ein Mädchen weinen gehört. Steven sieht Alec mit einem nervösen Grinsen an. Seltsam, das alles, nicht wahr?
Als Alec später nach Hause fährt, hat er kalten Schweiß auf der Haut, fühlt sich unbehaglich. Warum hat er nur nichts gesagt? Greenberg hat ihm sein Geld ja geradezu aufgedrängt. Was für ein törichter, nutzloser alter Mann er doch geworden war!
Auf seinem Anrufbeantworter im Rosebud sind neun Nachrichten. Die erste ist von Lois Weisel, von der Alec schon seit Jahren nichts mehr gehört hat. Hallo, Alec, sagt sie mit brüchiger Stimme, hier ist Lois Weisel von der B.U. Als ob er sie hätte vergessen können. Lois hat Imogene während Asphalt-Cowboy gesehen, und nun unterrichtet sie an der Uni Dokumentarfilm. Alec weiß, dass diese beiden Dinge miteinander in Beziehung stehen, so wie es auch kein Zufall ist, dass Steven Greenberg zu dem wurde, der er heute ist. Rufen Sie mich bitte an? Ich wollte mit Ihnen über … ich möchte … können Sie mich zurückrufen? Sie lacht, ein sonderbares, verängstigtes Lachen, und sagt: Ich weiß, das klingt verrückt. Ich wollte nur wissen, ob im Rosebud etwas geschieht. Etwas Schlimmes. Also – rufen Sie mich doch bitte an.
Die nächste Nachricht ist von Dana Llewellyn; sie hat Imogene während Sie kannten kein Gesetz gesehen. Die Nachricht danach kommt von Mike Leonard, dem sie während American Graffiti erschienen ist. Dann Darren Campbell, der ihr bei Reservoir Dogs begegnete. Und so weiter. Einige berichten von einem Traum, den sie gehabt haben, einem Traum, der mit dem von Steven Greenberg mehr oder weniger identisch ist: mit Brettern vernagelte Fenster, eine Kette vor der Tür, ein weinendes Mädchen. Andere sagen nur, dass sie mit ihm reden wollen. Als das Band schließlich zu Ende ist, sitzt Alec auf dem Boden seines Büros, die Hände zu Fäusten geballt – ein alter Mann, der hemmungslos weint.
Etwa zwanzig Menschen haben Imogene im Laufe der letzten fünfundzwanzig Jahre gesehen, und fast die Hälfte von ihnen hat ihm eine Nachricht hinterlassen. Die andere Hälfte wird sich in den nächsten Tagen mit ihm in Verbindung setzen – um sich nach dem Rosebud zu erkundigen, um ihm von einem seltsamen Traum zu erzählen. Und Alec wird mit ihnen sprechen, mit all jenen, mit denen zu reden sich Imogene veranlasst sah: ein Theaterdozent; der Geschäftsführer einer Videothek; ein Unternehmer im Ruhestand, der in seiner Jugend zornige, komische Filmbesprechungen für The Lansdowne Record geschrieben hat; all die anderen, die sonntags statt in die Kirche ins Rosebud gegangen sind, deren Gebete von Paddy Chayefsky geschrieben wurden, in deren Gesangsbüchern sich die Kompositionen von John Williams befanden, deren Glaube so stark war, dass ihnen Imogene nicht widerstehen konnte. So wie sie auch Alec nicht widerstehen konnte.
Stevens Finanzberater kümmert sich um die Details der Spendenaktion zur Rettung des Rosebud. Wegen der Renovierungsarbeiten schließt das Kino für drei Monate. Neue Sitzreihen werden eingebaut, eine moderne Tonanlage installiert. Ein Dutzend Handwerker restaurieren mit kleinen Pinseln den bröckelnden Stuck an der Decke. Steven stellt Personal ein, das die Arbeiten beaufsichtigt und sich um das Tagesgeschäft kümmert. Er hat sich mehrheitlich eingekauft, so dass das Kino nun eigentlich ihm gehört, doch Alec hat sich bereit erklärt, noch eine Weile als Geschäftsführer an Bord zu bleiben.
Dreimal die Woche kommt Lois Weisel herübergefahren, um den Fortgang der Renovierungsarbeiten in einem Dokumentarfilm festzuhalten, wobei sie ihre Studenten als Elektriker, Tonleute und Kabelträger einsetzt. Steven will das Kino mit einer Galavorstellung wiedereröffnen, um die große Vergangenheit des Rosebud zu feiern. Als Alec hört, dass er dafür ein Double Feature aus Der Zauberer von Oz und Die Vögel vorbereitet, bekommt er eine Gänsehaut, aber erhebt keinen Einspruch.
Am
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