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Black Box

Black Box

Titel: Black Box Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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Seine früheren Arbeiten, die phantastischen Filme und Thriller, haben ihm allerdings besser gefallen.
    Er überlegt, ob er nicht hinüberfahren soll, um sich dort ein wenig umzusehen, fragt sich, ob man ihn wohl auf das Set lassen würde – wissen Sie, ich habe Steven schon gekannt, als er noch ein kleiner Junge war – ja, ob er vielleicht sogar die Gelegenheit bekäme, mit Steven selbst zu reden. Aber er schlägt sich die Idee wieder aus dem Kopf. In dieser Ecke New Englands gibt es vermutlich Hunderte von Leuten, die behaupten, Steven früher einmal gut gekannt zu haben, und enge Freunde sind auch sie beide nie gewesen. Eigentlich haben sie sich nur dieses eine Mal miteinander unterhalten, an dem Tag, als Steven sie gesehen hat. Davor nicht und danach auch nicht mehr.
    Deshalb ist er einigermaßen überrascht, als ihn an einem Freitagnachmittag Ende Oktober Stevens persönliche Assistentin anruft, eine gut gelaunte Frau namens Marcia, die so klingt, als verstünde sie etwas von ihrem Job. Sie teilt Alec mit, dass der Regisseur ihn gerne treffen würde und, falls er vorbeikommen könne – zum Beispiel Sonntagmorgen –, im Hauptgebäude der Academy ein Gästeausweis für ihn bereitliege. Gut, sagt sie in ihrer hellen Piepsstimme, wir erwarten Sie dann so gegen zehn. Nachdem sie aufgelegt hat, dauert es eine ganze Weile, bis Alec begreift, dass er keine Einladung erhalten hat, sondern eher eine Vorladung.
    Sonntag zehn Uhr. Ein junger Mann mit Spitzbart begrüßt Alec im Hauptgebäude und bringt ihn zum Set. Er gesellt sich zu einer Gruppe von etwa dreißig Leuten, die von Weitem zusehen, wie Hanks und Osment über einen mit Herbstblättern bedeckten Rasen schlendern. Hanks nickt nachdenklich, während Osment redet und gestikuliert. Direkt vor ihnen ein Kamerawagen mit zwei Männern, der von zwei weiteren Männern gezogen wird. Steven steht mit einigen Assistenten etwas abseits und beobachtet die Aufnahmen über einen Videomonitor. Alec, der noch nie bei Dreharbeiten dabei war, verfolgt mit großem Interesse, wie professionell hier Illusionen geschaffen werden.
    Nachdem die Szene abgedreht ist und Steven noch kurz mit Hanks darüber gesprochen hat, kommt der Regisseur zu ihnen herüber. Ein wenig schüchtern mustert er die Gruppe. Dann entdeckt er Alec, öffnet den Mund zu einem Grinsen, das eine Zahnlücke erkennen lässt, hebt die Hand und winkt. Für einen Moment sieht er aus wie der schlaksige Junge von damals. Er fragt Alec, ob er mit zum Catering kommen will, auf einen Chilidog und eine Limonade.
    Während sie hinübergehen, wirkt Steven angespannt; er spielt mit den Münzen in seiner Hosentasche und blickt Alec immer wieder aus den Augenwinkeln an. Alec ist sich sicher, dass Steven über Imogene sprechen will, aber nicht weiß, wie er das Thema anschneiden soll. Als er dann endlich den Mund öffnet, redet er über seine Erinnerungen an das Rosebud: wie sehr er dieses Kino geliebt hat, all die tollen Filme, die er dort zum ersten Mal gesehen hat. Alec nickt lächelnd, doch insgeheim wundert er sich darüber, was sich Steven da vormacht: Nach Die Vögel ist er nie wiedergekommen; von den Filmen, die er aufzählt, hat er keinen einzigen im Rosebud gesehen.
    Schließlich fragt Steven: Was passiert eigentlich mit dem Kino, wenn du dich mal zur Ruhe setzt? Das heißt natürlich nicht, dass du das sollst. Ich meine nur – wie lange, denkst du, kannst du es noch betreiben?
    Nicht mehr sehr lange, erwidert Alec, was die Wahrheit ist. Doch mehr sagt er nicht. Er will sich auf keinen Fall erniedrigen und um ein Almosen bitten – auch wenn er mit genau diesem Gedanken hierhergekommen ist: dass Steven, der so reich ist und so für das Rosebud schwärmt, sich überzeugen lässt, Alec einen Rettungsring zuzuwerfen.
    Diese alten Filmtheater sind nationales Kulturgut, sagt Steven. Ob du es glaubst oder nicht, mir gehören ein paar. Dort werden hauptsächlich Klassiker gezeigt oder alte, zu Unrecht vergessene Filme. Irgendwann würde ich so etwas gerne auch mit dem Rosebud machen. Ist einer meiner Träume, weißt du.
    Dies ist eigentlich die Gelegenheit, auf die Alec gehofft hat, auch wenn er sich das niemals eingestehen würde. Doch anstatt Steven darüber in Kenntnis zu setzen, dass sich das Rosebud in einer Notlage befindet und vermutlich bald schließen muss, wechselt er das Thema, hat er letztlich doch nicht den Mut, das zu tun, was getan werden müsste.
    Was ist denn dein nächstes Projekt?, fragt er.
    Nach diesem

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