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Black Box

Black Box

Titel: Black Box Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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Trommelfell noch immer vor Schmerz pulsieren. Selbst seine Furzerei ist mir nicht unangenehm.
    »Also gut«, sagt er schließlich. »Ich hab eine Idee. Komm mit.«
    Er steht auf, und ich folge ihm durch die Dunkelheit ins Badezimmer, wo er das Licht einschaltet. Es ist aus beigem Marmor mit vergoldeten Wasserhähnen am Waschbecken und einer Duschkabine mit Rauchglasscheiben und wirklich riesig. Ein Traum von einem Hotelbadezimmer. Neben dem Waschbecken stehen etliche kleine Flaschen: Shampoo, Pflegespülung, Hautcreme, Seifenschachteln, ein Kunststoffbehälter mit Ohrstäbchen und einer mit Wattebäuschen. Mein Vater holt ein paar Wattebäusche heraus und stopft sich einen in jedes Ohr. Als ich ihn so sehe, wie aus seinen sonnenverbrannten Ohren diese großen, weißen Knäuel heraushängen, muss ich lachen.
    »Hier«, sagt er. »Steck dir auch welche rein.«
    Ich stopfe mir ein paar Wattebäusche in die Ohren, ganz fest, und plötzlich ist die Welt von einem tiefen, hallenden Rauschen erfüllt. Mein Rauschen – der stete Fluss meiner Körpergeräusche, was ich ausgesprochen angenehm finde.
    Ich blicke meinen Vater an. Er sagt: »Jansch ju jetsch au jan jicher isch mesch jören?«
    »Was?«, rufe ich glücklich.
    Er nickt und macht aus Daumen und Zeigefinger einen Kreis. Dann gehen wir zurück ins Bett.
    Das meine ich damit, wenn ich sage, dass mein Dad wirklich gut mit meinen Problemen klarkommt. Wir schlafen beide prächtig in dieser Nacht, und am nächsten Morgen bestellt er beim Zimmerservice zum Frühstück Obstsalat in der Dose.
     
    Allerdings kommt nicht jeder so gut mit meinen Problemen klar. Zum Beispiel meine Tante Mandy.
    Tante Mandy hat sich schon an vielen Sachen versucht, aber so richtig geklappt hat noch nie etwas. Mom und Dad haben ihr die Kunsthochschule mitfinanziert, weil sie eine Zeit lang Fotografin werden wollte. Nachdem sie das aufgegeben hatte, wollte sie in Cape Cod eine Kunstgalerie aufmachen, und meine Eltern haben sie wieder unterstützt. Aber – wie Tante Mandy es ausdrückt – es hat einfach nie gefunkt, es lief nie so richtig rund. Später ging sie in Los Angeles auf die Filmhochschule und versuchte sich eine Weile erfolglos als Drehbuchautorin. Darauf heiratete sie einen Mann, den sie für einen Schriftsteller hielt, der sich aber als nicht gerade vom Glück gesegneter Englischlehrer entpuppte. Eine Zeit lang musste sie sogar ihm Unterhalt zahlen.
    Tante Mandy erklärt sich das alles so, dass sie eben noch nicht das Richtige gefunden hat. Mein Vater dagegen sagt, dass Mandy sich irrt, wenn sie glaubt, diese Frage sei noch offen, denn sie habe ihre Möglichkeiten bereits ausgereizt. So wie Brad McGuane, der Right Fielder war, als mein Vater begann, die Mannschaft zu managen. Er hatte einen Gesamtschlagdurchschnitt von 292, zusammen mit Läufern auf Base jedoch nur 200. Und in den Play-offs hat er nie getroffen, obwohl er fünfundzwanzigmal an der Platte stand. »Der ist einfach ausgebrannt«, hat mein Vater gesagt. McGuane wird von einer Mannschaft zur nächsten weitergereicht, weil er insgesamt einen guten Schnitt hat, und er wird auch immer wieder genommen, denn alle glauben, dass sich jemand mit einer so guten Keule noch entwickeln wird. Dabei kapieren sie nicht, dass er sich bereits entwickelt hat und mehr nicht aus ihm werden wird. Bei ihm hat’s schon gefunkt, und so oft funkt’s bei den jungen Baseballspielern nun eben nicht. So wie bei Frauen in mittleren Jahren, die die falschen Typen geheiratet haben und nie mit dem zufrieden sind, was sie haben, sondern immer nur daran denken, was ihnen die Welt sonst noch zu bieten hat. Aber wenn man ehrlich ist, ist das bei uns allen so, und genau davor habe ich Angst. Denn obwohl Dr. Faber das Gegenteil behauptet, ist es doch ziemlich offensichtlich, dass es auch mir nicht wirklich besser geht, sondern alles so bleibt, wie es ist, was – vorsichtig ausgedrückt – wohl kaum der Idealzustand ist.
    Muss ich noch extra erwähnen, dass Tante Mandy und mein Vater sich wegen ihrer unterschiedlichen Ansichten nicht besonders gut leiden können, auch wenn sie meiner Mutter zuliebe so tun?
    An einem Sonntag sind Tante Mandy und ich einmal nach North Altamont gefahren, nur wir beide, weil meine Mutter glaubte, ich hätte den Sommer über zu viel Zeit im Stadion verbracht. Was ihr jedoch wirklich schlaflose Nächte bereitete, war die Tatsache, dass »das Team« fünfmal hintereinander eins auf die Mütze bekommen hatte, und dass ich mich

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