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Black Box

Black Box

Titel: Black Box Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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meine das auch. Es ist nämlich ein Unterschied, ob man nur ein versoffenes Landei ist, das Colt-45er-Bier trinkt, oder ein flüsternder Psychokiller, der seine Gesichtsnerven nicht unter Kontrolle hat.
     
    Mein Dad kommt ganz gut mit meinen Problemen klar.
    Einmal zum Beispiel, als wir für eine Dreierserie der White Sox im Four Seasons Hotel in Chicago gewohnt haben. Wir machen es uns in einer Suite mit großem Wohnzimmer gemütlich. Auf der einen Seite geht eine Tür in sein Schlafzimmer, auf der anderen Seite in meins. Wir schauen auf dem Hotelsender einen Film und bleiben bis Mitternacht auf. Zum Abendessen haben wir Fruit Loops bestellt (seine Idee – ich habe nicht mal darum gebeten). Er ist ganz tief in den Sessel gesunken und nackt bis auf die Jockeyshorts. Die Finger seiner rechten Hand sind unter den elastischen Bund geschoben, was er immer macht, wenn meine Mutter nicht in der Nähe ist. Gedankenverloren und irgendwie abwesend hängt er vor der Glotze. Ich kann mich nicht mehr erinnern, ob ich eingeschlafen bin, während der Film lief, aber ich weiß noch, dass ich aufgewacht bin, als er mich von dem kühlen Ledersofa hochhob, um mich ins Schlafzimmer zu tragen. Mein Gesicht lag an seiner Brust, und er hat gut gerochen. Ich könnte nicht sagen, wonach, vielleicht nach Gras und sauberer Erde, aber auch nach Schweiß und Umkleideraum und irgendwie süß – gealterte, reife Haut eben. Ich wette, dass Farmer auf dieselbe Art gut riechen.
    Dann bin ich im Dunkeln allein und versuche es mir in meinem eiskalten Knäuel aus Laken so bequem wie möglich zu machen. Da bemerke ich plötzlich dieses dünne, schrille Pfeifen, das fast so schlimm ist, wie wenn jemand eine Videokassette zurückspult, und spüre diesen ekelhaften Schmerz in den Backenzähnen. Ich bin nicht mehr schläfrig – als Dad mich hierhergetragen hat, bin ich wieder wach geworden, und die kalten Laken haben ihr Übriges getan. Also setze ich mich auf und lausche. Auf der Straße rauscht der Verkehr vorbei, weiter weg ertönen Hupen. Ich halte mir den Radiowecker ans Ohr, aber von dort kommt es nicht. Ich stehe auf und mache das Licht an. Es kann nur die Klimaanlage sein! In den meisten Hotels besteht die Klimaanlage aus einem Blechkasten neben dem Fenster, doch dafür ist das Four Seasons zu vornehm. Ich kann nur einen grauen Lüftungsschlitz in der Decke finden, und als ich darunter stehe, weiß ich, dass der an allem schuld ist. Das Pfeifen ist stärker, als ich ertragen kann. Mir tut das Trommelfell weh. Ich hole das Buch, das ich gerade lese, aus meiner Tasche und schlage damit gegen den Lüftungsschlitz. »Sei still! Halt die Klappe! Hör endlich auf! Ruhe!« Ich lande ein paar direkte Treffer – Klong! Dong! An der Ecke fällt eine Schraube heraus, und die Verkleidung löst sich etwas, aber das bringt nichts, ganz im Gegenteil: Jetzt pfeift es nicht nur, sondern es ertönt auch noch ein leises Brummen, als ob irgendwo im Innern ein Metallteil locker geworden ist und jetzt vibriert. Speichel läuft mir aus dem Mundwinkel. Ich schlucke ihn und werfe einen letzten hilflosen Blick auf den Lüftungsschacht. Dann gehe ich mit den Fingern in den Ohren ins Wohnzimmer, aber dort ist das Pfeifen noch schlimmer.
    Also fliehe ich in das Schlafzimmer meines Vaters.
    »Dad!« Ich wische mir das Kinn an der Schulter ab – mein ganzer Unterkiefer ist voller Spucke. »Dad, kann ich bei dir schlafen?«
    »Was? Okay. Aber Vorsicht, ich muss heut dauernd furzen.«
    Ich klettere zu ihm ins Bett und decke mich zu. Das leise, durchdringende Pfeifen ist hier natürlich genauso zu hören.
    »Geht’s dir gut?«, fragt er.
    »Die Klimaanlage ist so laut. Mir tun die Zähne weh. Ich weiß nicht, wo man sie ausschaltet.«
    »Der Schalter ist im Wohnzimmer. Direkt neben der Eingangstür.«
    »Ach so.« Ich rutsche zur Bettkante, will wieder aufstehen.
    Mein Vater packt mich am Oberarm. »Hey, lass das besser. Wir sind hier in Chicago, und es ist Juni. Heute hatte es 40 Grad. Das wird zu stickig.«
    »Aber ich kann das nicht mehr ertragen. Hörst du nicht dieses komische Geräusch? Es tut mir in den Zähnen weh. Das ist so schlimm, als würde jemand Alufolie zusammenknüllen. Bitte, Dad!«
    »Na gut.« Er lauscht eine Weile. »Du hast recht. Das ist wirklich eine Scheißklimaanlage. Aber sie ist ein notwendiges Übel. Sonst ersticken wir hier drin wie Käfer in einem Glas.«
    Seine Stimme wirkt beruhigend auf mich. Mir geht es besser, auch wenn mein Kiefer und mein

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