Black Box
uns lautstark darüber gestritten, ob sie nun wirklich schlecht waren oder nicht, und natürlich enden solche Auseinandersetzungen immer damit, dass ich auf dem Boden liege, mit den Füßen strample und jeden anschreie, der versucht, mich anzufassen. Das passiert öfter, Dr. Faber nennt es meine »hysterische Zwangsstörung«. Inzwischen werfe ich den Hamburger meistens gleich weg und esse nur noch das Brötchen.
Es ist kein Vergnügen, derartige Essprobleme zu haben, das könnt ihr mir glauben. Vor Fisch ekle ich mich, und ich esse auch kein Schwein, weil aus dem rohen Fleisch kleine weiße Würmer herauskommen, wenn man Alkohol darüberkippt. Müsli mag ich dagegen sehr; wenn’s nach mir ginge, würde ich dreimal am Tag Kix essen. Auch Obstsalat aus der Dose finde ich gut. Wenn wir im Park sind, knabbere ich gerne Erdnüsse, aber eine Bratwurst würde ich im Leben nicht anrühren.
Dr. Faber ist in Ordnung. Wir sitzen im Behandlungsraum auf dem Boden, spielen Candyland und quatschen. »Ich hab ja schon viel Unsinn gehört, aber das ist wirklich verrückt«, sagt er. »Glaubst du denn im Ernst, bei McDonald’s verkaufen sie verdorbene Hamburger? Die wären doch ratzfatz pleite. Und du könntest sie auf ihr letztes Hemd verklagen.« Er hält inne, schiebt seine Spielfigur weiter, sieht mich wieder an. »Wir beide müssen mal über dieses elende Gefühl reden, das dich immer überkommt, wenn du etwas isst. Ich habe den Eindruck, du übertreibst das alles ein wenig, lässt deine Phantasie mit dir durchgehen. Und noch etwas: Angenommen dir würde wirklich mal was Schlechtes vorgesetzt – was ich für sehr unwahrscheinlich halte, ich meine, viele Leute essen ziemlich ekliges Zeug, ohne, na ja, ohne deswegen gleich zu sterben.«
»Todd Dickey, der bei uns Third Base spielt, hat einmal ein Eichhörnchen gegessen. Für tausend Dollar. Damals war er noch in den Minors. Der Mannschaftsbus ist drübergefahren, doch er hat es verdrückt und behauptet, da, wo er herkommt, essen alle Leute Eichhörnchen.«
Dr. Faber starrt mich an, sein rundes, freundliches Gesicht ist ganz ausdruckslos vor Ekel. »Wo kommt er denn her?«
»Aus Minnesota. Dort ernährt sich fast jeder von Eichhörnchen. Sagt Todd. Deshalb haben sie auch mehr Geld für die wirklich wichtigen Sachen im Supermarkt, wie Bier oder Lottoscheine.«
»Er hat es … roh gegessen?«
»Nein, nein. Er hat es gebraten. Mit Dosenchili. Er hat gesagt, dass er noch nie so leicht Geld verdient hätte. Tausend Dollar sind in den Minors ein Haufen Geld. Zehn Leute mussten je hundert Dollar hinblättern. Todd hat gesagt, das sei so, als würde ihm jemand einen Riesen dafür geben, dass er einen Big Mac isst.«
»Nun denn, womit wir wieder bei McDonald’s wären. Wenn Todd ein Eichhörnchen essen kann, das er vom Asphalt gekratzt hat, ohne dass ihm das etwas ausmacht – was ich als dein Arzt allerdings nicht empfehlen würde –, dann wirst du doch mit einem Big Mac klarkommen.«
»M-hm.«
Ich weiß, worauf Dr. Faber hinauswill. Wirklich. Er meint, dass Todd als Sportler so fürchterliches Zeug wie Eichhörnchenchili und Big Macs essen kann und trotzdem nicht gleich an Rinderwahn stirbt. Doch ab einem bestimmten Punkt lasse ich mich einfach nicht mehr auf Diskussionen ein. Ich kenne doch Todd Dickey – mit dem ist nicht alles in Ordnung, irgendwo tief drinnen stimmt etwas nicht mit ihm. Wenn er draußen auf der Third steht, drückt er sich immer so komisch den Handschuh vor das Gesicht und flüstert etwas. Ramon Diego, unser Shortstop und einer meiner besten Freunde, ist fest davon überzeugt, dass Todd etwas flüstert. Er schaut auf den Batter, der an die Platte tritt, und flüstert: »Schlag sie, mach sie fertig. Schlag sie, mach sie fertig. Niet sie um. Los! Schlag sie, mach sie fertig, niet sie um. Niet den Kerl um, niet den Kerl um!« Ramon sagt, dass Todds Handschuh immer voller Spucke ist.
Wenn die Jungs dann im Klubhaus über die Cheerleader reden, die sie flachgelegt haben (eigentlich soll ich das ja nicht hören, aber versuch mal, mit Profisportlern rumzuhängen, ohne so etwas mitzukriegen), hört Todd, der nun wirklich einer der größten Spieler vor dem Herrn ist, mit einem seltsam aufgequollenen Gesicht zu, blickt irgendwie komisch drein und bekommt manchmal so ein Zucken in der linken Gesichtshälfte, was echt schlimm aussieht – und er merkt nicht mal, was da in seinem Gesicht los ist!
Ramon Diego meint, dass Todd irgendwie sonderbar ist, und ich
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