Black Cats 01. Was kostet der Tod
passiert?«
»Wir haben uns hin und wieder getroffen. Nicht hier in der Gegend – wir sind nach Front Royal gefahren und haben einen Kaffee zusammen getrunken oder sind ins Kino gegangen. Sie hat erzählt, dass sie ihr Leben auf die Reihe kriegen, vielleicht den Schulabschluss nachholen will. Sie wollte etwas aus sich machen. Ich wollte ihr helfen, also haben wir uns ab und zu getroffen und sind ein paar Sachen zusammen durchgegangen.«
Der böse Junge, der sich gewandelt hat und nun dem gefallenen Mädchen Nachhilfeunterricht gab. Darin lag etwas unsagbar Herzerweichendes. Wenn sie das gewusst hätte, hätte sie die beiden wahrscheinlich unterstützt, auch wenn sie Mitch nahegelegt hätte, sich nicht allzu große Hoffnungen zu machen.
Sie hatte es jedoch nicht gewusst. Mitch hatte sein Geheimnis gut gehütet. »Sie haben sich in sie verliebt?«
Er nickte trotzig. »Sie war nicht so, wie alle dachten. Sie war hübsch und witzig und klug.«
»Und drogenabhängig«, sagte Stacey nicht unfreundlich. »Ich nehme an, Sie waren der Sache nicht gewachsen.«
»Stimmt.« Er rieb sich mit der Hand über die Augen, behielt sich aber unter Kontrolle. »Eines Tages hat sie gesagt, dass sie nicht mehr mit mir zusammen sein wollte. Sie war mit irgendeinem Ex-Knacki abgestürzt und fing wieder an zu trinken. Ich konnte sie nicht dazu bringen, damit aufzuhören.« Er legte die Stirn in Falten. »Ich habe lange gedacht, dass sie zusammen mit dem Kerl abgehauen wäre, bis Sie mal erwähnten, dass er damals in Georgia im Gefängnis saß.«
»Erzählen Sie uns von der Nacht, in der sie verschwunden ist.«
»Ich bin raus zu Dicks gefahren, um meinen Bruder aufzugabeln.« Er blickte nervös zwischen Stacey und Dean hin und her. »Er ist kein wirklich schlechter Junge.«
»Doch, das ist er«, fauchte Stacey. Als sie Mitchs traurigen Gesichtsausdruck sah, fügte sie widerwillig hinzu: »Aber vielleicht kriegt er ja noch die Kurve.«
»Sie müssen das verstehen. Als er klein war, hab ich alles abbekommen.«
Vor allem Schläge. Er war die Mauer zischen den Fäusten ihres Vaters und seinem kleinen Bruder gewesen.
Vielleicht war es das, was Mitch an Lisa angezogen hatte. Hatte er den tiefen, inneren Drang verspürt, sie vor ihrer eigenen Misshandlung zu beschützen, weil er früher zu jung gewesen war, um sich selbst zu beschützen, und sich schuldig fühlte, weil er Mike im Stich ließ?
»Sobald ich dieses Haus verlassen hatte, habe ich mir geschworen, nie wieder einen Fuß da reinzusetzen.« Sein Gesicht lief rot an, und er brummte: »Unsere Mutter interessiert sich für nichts, was nicht aus einer Flasche kommt. Mike hat niemanden.«
Dass er selbst niemanden gehabt hatte, der für ihn eingetreten war, hatte Mitch nicht davon abgehalten, sich da hinauszukämpfen. Aber sie wies ihn nicht darauf hin. Er wusste es bereits; er wollte einfach nur seinen rüpelhaften Bruder nicht aufgeben.
Sie konnte ihn verstehen. Und wie sie ihn verstehen konnte!
»Ich versuche, an ihn ranzukommen«, räumte er ein. »Versuche, ihn dazu zu überreden, hin und wieder bei mir zu übernachten. Der Alte fährt Ende der Woche zu einem Motorsportrennen. Ich hatte vor, Mike abzuholen und auf das Revier mitzunehmen. Damit er dort ein bisschen Zeit mit ein paar vernünftigen Leuten verbringen kann … « Mitch verstummte. »Aber das ist wohl gerade keine gute Idee.«
Mitten in einer Mordermittlung? Eindeutig nicht.
»Lassen Sie uns noch mal über diese Nacht sprechen, Mitch.«
»Als ich damals in der Kneipe aufgetaucht bin, war Mike kurz davor, Prügel zu beziehen. Er mag es nicht, wenn man ihn auslacht. Er hat gerade versucht, eine Schlägerei mit einem Haufen besoffener Rocker anzufangen, die es lustig fanden, dass ein Schuljunge glaubte, er könnte ihnen ihr Revier streitig machen.«
Mike konnte froh sein, dass er nicht in Stücke gerissen worden war.
»Ich war gerade dabei ihn rauszuzerren, als ich Lisa entdeckte.« Er schluckte sichtlich und lehnte sich an sein Auto, als würden ihm die Knie weich. »Sie hat auf einem Billardtisch getanzt. Sie hat sich bewegt, als ob … als ob sie, Sie wissen schon, mit irgendeinem der Typen dort schlafen wollte. Ich habe sie gebeten, mit uns wegzufahren, und sie hat mich einfach ausgelacht. Also habe ich sie heruntergezogen.«
»Vermutlich hat sie sich nicht besonders darüber gefreut.«
»Nein. Sie hat mich gekratzt und getreten. Hat gesagt, dass ich mich um meine eigenen Angelegenheiten kümmern soll.«
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