Black Cats 01. Was kostet der Tod
zu erreichen, im Gegensatz zu diesem Diner.« Sie zuckte mit den Schultern und nahm noch einen Schluck. »Also habe ich beschlossen, herüberzukommen und zu warten, bis du auftauchst.«
Er warf einen Blick auf seine Uhr. Abendbrot um sechs? Nur in einem Kaff wie diesem. Wie die meisten Berufstätigen in Washington, D. C., kam er vor sieben nicht nach Hause. »Ich wollte mich erst mal umsehen und was zu essen auftreiben, während Wyatt seine Anrufe erledigt.«
»Wie auch immer, ich bin froh, dass du hergekommen bist.«
Ihr Tonfall verriet ihm, dass sie noch etwas auf dem Herzen hatte – etwas, das nicht privater Natur war. Obwohl Dean ihren vorsichtigen Blick vorhin bemerkt hatte und wusste, dass sie sein Interesse erwiderte, begriff er, dass sie über die Morde sprechen wollte. Sie mochte ihre Uniformjacke aufgeknöpft und den Knoten gelöst haben, sodass ihr das Haar in einem langen Pferdeschwanz in den Nacken fiel – aber sie war immer noch bei der Arbeit. Dean bezweifelte, dass jemand mit ihrem Job zu irgendeinem Zeitpunkt nicht bei der Arbeit war.
»Ich habe ein bisschen nachgedacht.«
»Das überrascht mich nicht.« Er konnte sich vorstellen, dass in der kurzen Zeit, seit Wyatt und er ihr Büro verlassen hatten, ein ganzer Haufen von Fragen über sie hereingebrochen sein musste. Als sie vorhin mit diesen erschütternden Nachrichten konfrontiert worden war, hatte sie, ohne zu zögern, Wyatt und ihm die Führung überlassen. Sie hatte gar keine Gelegenheit gehabt, sich Gedanken über die Konsequenzen dieser Neuigkeiten zu machen.
Nun hatte sie sich Gedanken gemacht.
Er vermutete, dass die lebhaften Bilder, die sich ihrem Kopf eingeprägt hatten, sie noch eine ganze Weile verfolgen würden, und jedes einzelne dieser Bilder warf Tausende von Fragen auf. So war es jedenfalls bei ihm.
Wie es möglich war, dass solche Dinge geschahen, wie es möglich war, dass er sich so etwas ansah und sich am selben Abend dabei erwischte, dass das Lachen einer fast fremden Frau ihm warm ums Herz werden ließ – das war ihm unbegreiflich. Aber er dankte Gott für dieses Lachen, für die einfache Freude, seinem Sohn Gute Nacht zu sagen, mit seinem Bruder über Baseball zu diskutieren oder Neuigkeiten von den Kindern seiner Schwester zu hören. Kleine Freuden waren das Einzige, was jemanden in seinem Beruf davon abhielt, völlig durchzudrehen.
»Dieser Fall ist um einiges größer, als ihr bisher habt durchblicken lassen.«
Oh ja, und wie sie nachgedacht hatte. »Stimmt.«
»Wie viel habt ihr mir verschwiegen?«
Angesichts der plaudernden Gäste, die um sie herumsaßen, beugte Dean sich vor und hielt nach der Kellnerin Ausschau, die jeden Moment an ihren Tisch zurückkehren konnte. Er wollte auf keinen Fall erreichen, dass die Gerüchteküche früher zu brodeln anfing als nötig. Und obwohl die Kellnerin nuschelte, zweifelte Dean nicht daran, dass sie sich sehr gut artikulieren konnte, wenn sie etwas weiterzutratschen hatte. »Was Lisa betrifft? Nicht viel.«
Die erfahrene Polizistin auf der anderen Seite des Tisches ließ sich nicht abwimmeln. »Und darüber hinaus?«
Er sah ihr direkt ins Gesicht. »Mehr, als jeder normale Mensch wissen wollen würde.«
Sie hielt seinem Blick stand, ohne zu blinzeln. Ein langer Moment verstrich, während sie seine Worte verarbeitete. Schließlich senkte Stacey den Blick und starrte auf ihre Hand, die ihr Glas umklammert hielt. Zum Glück war das Diner ziemlich altmodisch und servierte die Getränke in dickwandigen, schweren Krügen. Hielte sie einen Plastikbecher in der Hand, hätte sie ihn wahrscheinlich zerdrückt.
»Noch mehr Videos?«
»Ja.«
»Hast du sie angeschaut?«
»Leider.«
Sie starrte weiter auf den Tisch. »Sind sie alle so?«
Er hätte es herunterspielen können, aber er entschied sich dagegen. »Die meisten sind schlimmer.«
»Mein Gott!« Sie schaute wieder auf. Ihre blanken Augen schimmerten feucht. Auch wenn sie nicht weinte, war ihr die Erschütterung anzusehen.
Sie schwiegen, ohne das Klirren des angelaufenen Silberbestecks wahrzunehmen, das gegen abgeplatzte Porzellanteller und Kaffeetassen stieß. An den Tischen um sie herum gingen die Gespräche weiter, die Kellnerinnen begrüßten bei jedem Öffnen der Tür die Neuankömmlinge, und alle Augenblicke hieß es von irgendwo: »Kann ich bitte noch mehr Kaffee bekommen?« Hackbraten mit brauner Soße dampfte auf den Tellern, und am Tresen wurde über das heiße Wetter geflucht. Für jeden in diesem Raum
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