Black Cats 01. Was kostet der Tod
wohnte. Sie und Tim hatten während ihrer Kindheit mehr als ein Haustier verloren, und viele von ihnen hatten nach ihrem Tod ähnlich ausgesehen wie Lady jetzt.
Aber damit konnte sie sich nicht lange trösten. Denn Lady hatte sich nicht über mehrere Kilometer hierher zu Staceys Haus geschleppt. Sie hatte nicht ihr eigenes Blut über die ganze Veranda und an die Tür geschmiert.
Und auf gar keinen Fall hatte sie das Wort »Schlampe« in gezackten Buchstaben quer über das fröhliche »Willkommen zu Hause« auf der Fußmatte vor der Tür gekritzelt.
Großer Gott!
Selbst wenn Ladys Tod ein Versehen gewesen war – ihre Schändung war das mit Sicherheit nicht.
Stacey hatte zehn Minuten auf den Knien verbracht, den Kopf des Hundes auf ihren Schoß gebettet. Die dunklen Augen hatten zu ihr hochgestarrt, als wollten sie fragen, wie so etwas geschehen konnte. Schließlich war Stacey eingefallen, dass eins der Nachbarkinder jederzeit mit dem Fahrrad vorbeifahren und das Grauen zu Gesicht bekommen konnte. Sie hatte Putzzeug geholt und angefangen zu schrubben.
»Es tut mir leid. Es tut mir so leid«, murmelte sie, während sie rings um den Leichnam herumputzte und den rosa gefärbten Lappen in dem rosa gefärbten Wassereimer ausspülte. Das Wasser hatte sie bereits einmal ausgetauscht.
Sie weinte nicht richtig, obwohl ihr zunächst trockene Schluchzer die Kehle hinaufgestiegen waren. Tränen hatten sich in ihren Augen gebildet, und zwei waren sogar hinausgepurzelt, ihr in einem salzigen Doppelstreifen über die Wangen gelaufen und auf ihren Lippen verschwunden. Aber die restlichen Tränen blieben fest in ihr eingeschlossen. In den vergangenen Tagen hatte sie so viel Schmerz und Trauer erlebt, und all die Gefühle, die damit hochgekommen waren, stauten sich in ihr auf. Tief in ihrem Unterbewusstsein schien sie zu erkennen, dass sie diese Gefühle nicht mehr würde zurückhalten können, wenn sie ihnen einmal freien Lauf ließ.
»Du braves, armes altes Mädchen«, flüsterte sie. Sie wusste, dass der Kummer ihres Vaters noch hundertmal größer sein würde als der, den sie empfand.
»Du hast etwas viel Besseres verdient, und es tut mir leid, dass ich nicht hier war, um dich zu beschützen.«
»Grundgütiger!«, erklang eine Stimme.
Dean.
Er fiel neben ihr auf die Knie, genau in die Lache aus geronnenem Blut, und packte sie am Oberarm. »Was ist passiert? Stacey, geht es dir gut? Dieses ganze Blut … «
»Jemand hat sie getötet.« Endlich blickte Stacey auf und sah Dean an. Sie schüttelte den Kopf, aber wusste selbst nicht genau, ob vor Trauer oder vor unterdrückter Wut. »Wer tut so etwas?«
Er legte ihr die Arme um die Schultern und zog sie an sich, ohne auf ihre blutigen Hände und Kleider oder Ladys Leiche zu achten, die direkt neben ihnen lag. Er schob die Hände in Staceys Haar, hielt ihren Kopf und umarmte sie sanft. Mit tröstenden, zärtlichen Worten versuchte er sie zu beruhigen. »Schsch. Ist ja gut, mein Schatz.«
Stacey verspürte den Drang zu weinen, wie sie schon lange nicht mehr geweint hatte. Die wenigen Tränen, die sie sich in den letzten Jahren gestattet hatte, hatten nicht annähernd gereicht – nicht für ein solches Grauen, wie sie es miterlebt hatte. Nicht für den Albtraum von Virginia Tech. Nicht für die arme Lisa.
Ein Meer von verdrängter Trauer hatte sich hinter ihren Augen angestaut. Dort wurde es von den letzten Überbleibseln ihrer Widerstandskraft zurückgehalten. Und dieser arme, geschundene Hund stand kurz davor, zu dem einen letzten Tropfen zu werden, der all diese gezügelten Emotionen aus ihr herausfluten ließ. Dieses eine Ereignis konnte ihre Traurigkeit freisetzen, indem es ihre Tränen wie eine Flut über einen Deich hinüberschwappen ließ – ihre Tränen über all das Unglück und das Entsetzen, dessen Zeuge sie in ihrem Leben geworden war.
»Warum macht jemand so etwas?«, murmelte sie, während sie schluchzend nach Luft schnappte. Der Atem blieb ihr in der Kehle stecken, bis sie sich fast daran verschluckte, und ihre Worte kamen nur stockend hervor. In jeder einzelnen Silbe lag eine Wut, der sie es bisher nicht gestattet hatte, sie zu überwältigen. Sie wusste, dass sie sich sonst in rasendem Zorn verlieren würde.
Dean richtete sich auf, nahm aber nicht den Arm von ihren Schultern. »Gehört sie dir?«
Sie schüttelte den Kopf. »Sie ist einfach ein lieber alter Streuner. Mein Dad hat sie inoffiziell bei sich aufgenommen und sich um sie
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