Black CATS - Parrish, L: Black CATS
hoffnungslos romantischer Ader.
Eigentlich müsste im Wikipedia-Eintrag zu »erbärmliche geschiedene Frau um die dreißig « ein Bild von ihr zu sehen sein.
Wahrscheinlich hätte sie wie eine schlampige Hausfrau gewirkt – wenn da nicht noch ihr Schreibtisch gewesen wäre. Der Schreibtisch war zwar auch ziemlich vermüllt, aber wenigstens sah man ihm an, dass er benutzt wurde. Und zwar intensiv. Es gab drei verschiedene Papierstapel unterschiedlicher Höhe: Einer war brandeilig, einer war dringend und einer einfach nur wichtig. Der wichtige erreichte gerade einmal ein Viertel der Höhe der anderen beiden. Für Dinge, die noch Zeit hatten, gab es keinen Stapel.
Sam räusperte sich und ging zur Küche. »Lassen Sie uns das nebenan besprechen. Ich könnte einen Kaffee brauchen. Sie auch ?«
»Gerne, danke .« Er folgte ihr und schwieg, während sie den Kaffee aufsetzte.
Als sie sich ihm gegenüber an den kleinen Tisch setzte, zwang Sam sich zur Ruhe. Im Grunde hatte sie Polizeibeamte immer gemocht. Ihr verstorbener Vater war bei der Bundespolizei gewesen, und sein früherer Partner, der inzwischen Richter war, war für sie nach seinem Tod zu einem Ersatzvater geworden. Erst seit Kurzem, seit ihre Arbeit von einigen selbst ernannten Experten unter Beschuss genommen worden war, die die Amateurin von ihrer Spielwiese schubsen wollten, hatte sie angefangen, die Intelligenz mancher dieser Gesetzeshüter infrage zu stellen.
Die Knöllchen machten die Sache auch nicht gerade besser.
»Worum geht es denn ?«
Er öffnete eine Mappe und verteilte Blätter auf ihrem Küchentisch, die wie E-Mail-Ausdrucke aussahen. »Haben Sie die geschrieben ?«
Sam warf einen Blick auf die Papiere und entdeckte jeweils ganz oben ihre E-Mail-Adresse. »Ich schreibe ständig E-Mails an irgendwelche Leute « , murmelte sie zweifelnd. »Das hier sieht aus wie eine typische Antwort an jemanden, der mich um Rat gefragt hat .«
Sam nahm ein Blatt in die Hand, las rasch die ursprüngliche Nachricht und dann ihre eigene Antwort darauf. Plötzlich weitete sich ihr Mund zu einem Lächeln. »Oh klar, den kenne ich – ein richtig netter Junge. Er hat mir mehrmals geschrieben. Einmal hat er sogar seine Eltern dazu überredet, ihn zu einer Autogrammstunde zu fahren, die ich im letzten Sommer gegeben habe .«
»Eine Autogrammstunde für Ihr Internetbetrugsbuch ?«
Sie sah ihm ruhig in die Augen. »Es ist ein Buch darüber, wie man sich vor Betrug im Internet schützen kann .«
»Meinte ich ja .«
Na sicher doch.
»Wie lange haben Sie mit ihm in Kontakt gestanden ?«
»Ungefähr seit einem Jahr .« Plötzlich fiel ihr wieder ein, was Special Agent Lambert kurz nach seiner Ankunft gesagt hatte, und sie sah ihm in die Augen. »Warten Sie mal, Sie haben von einem Fall gesprochen – geht es ihm gut? Ihm ist doch nichts passiert, oder ?«
Alec fiel sofort auf, dass Samantha Dalton den jungen Ryan Smith zuallererst als Opfer sah und nicht als Täter. Sie klang besorgt. Da sie ihn nur ein einziges Mal getroffen hatte und sie sonst nur E-Mails ausgetauscht hatten, prägte er sich dieses Detail ein, denn es sagte einiges über sie aus. Genau wie ihre Kleidung. Ihr Apartment. Ihr Job. Ihr gesamter Lebensstil.
Aber, verdammt, all das konnte nicht den ersten Eindruck schmälern, den diese Frau auf ihn gemacht hatte, als sie ihm vor zehn Minuten die Tür geöffnet hatte.
Er hatte einen streitlustigen Computerfreak erwartet. Nicht diese braunäugige, goldblonde Schönheit mit den vollen Lippen und dem schmalen Hals. Selbst in dem unförmigen, verwaschenen Trainingsanzug kam ihre kurvenreiche Figur noch voll zur Geltung. Obwohl sie ungeschminkt war und sich die Haare nicht frisiert hatte, hatte ihr bemerkenswerter Anblick ihn für einen langen, atemlosen Moment komplett verwirrt.
Dennoch führte sie ein Leben, als hätte sie noch nie ein Date gehabt und würde sich auch nicht viel daraus machen. Was nicht unbedingt dazu passte, wie entschieden sie auf das »Mrs « vor ihrem Namen hingewiesen hatte. Oder dazu, dass sie keinen Ring an ihrer linken Hand trug.
Ja, er hatte nachgesehen.
Alles in allem stellte diese Frau ein reizvolles Puzzle dar. Und sein Gehirn arbeitete bereits daran, es auseinanderzunehmen und wieder zusammenzusetzen.
»Agent Lambert ?«
»Wann haben Sie das letzte Mal von ihm gehört ?«
Sie blickte ihn an, und er konnte erkennen, wie es hinter ihren dunklen Augen arbeitete. Das hatte er schon öfter gesehen. Jeder Polizeibeamte
Weitere Kostenlose Bücher