Black CATS - Parrish, L: Black CATS
einfach zu viele Fragezeichen. Nicht nur war es zweifelhaft, ob Lily sich wirklich genau an die Stimme ihres Peinigers erinnern konnte – es war auch mehr als unwahrscheinlich, dass der Kerl tatsächlich an der Tagung im Hotel teilgenommen hatte. Noch schlechter standen die Chancen, dass er zu den Rednern gehörte, die aufgezeichnet worden waren.
Aber Lily wollte es versuchen. Und je früher sie damit fertig waren und er sich wieder hinter der Mauer aus Höflichkeit und Professionalität zurückziehen konnte, die er zwischen ihnen errichtet hatte, desto besser.
Lily öffnete eine Datei, lauschte den ersten paar Worten des Redners und ging zur nächsten Aufnahme über. Und dann zur nächsten. Und zur übernächsten. Mit jedem Klick auf ihrem Touchpad schienen ihre Schultern ein bisschen tiefer zu sacken, während sie die vollen Lippen fest aufeinanderpresste.
Es gab zwei Dutzend Seminare, und nach kaum einer Stunde hatten sie alle Mitschnitte durchgearbeitet – bis auf die beiden Podiumsdiskussionen.
Obwohl ihr die Enttäuschung anzusehen war, gab Lily nicht auf. Sie öffnete die erste der beiden übrig gebliebenen Dateien und ließ sie gerade lange genug laufen, bis sie von jedem Redner ein paar Worte gehört hatte. Dann kam der zweite Gruppenvortrag, die letzte Möglichkeit.
Auf dem Podium saßen fünf Sprecher, darunter auch Dr. Kean und Dr. Underwood. Lily, die zuerst ganz entspannt gelauscht hatte, begann sich sichtlich zu verkrampfen, als die beiden Frauen mit ihren Vorträgen zum Ende kamen und das Wort den anderen Rednern überließen. Denn das waren alles Männer – von denen sie bisher keine Aufnahmen gehört hatten. Ihre Stimmen waren die allerletzten, die endgültige Chance für Lily, auf das Echo ihrer Albträume zu stoßen. Lily schien den Atem anzuhalten, während sie darauf wartete, dass die Sprecher nacheinander ans Mikrofon traten.
Dann hatten alle ihre Reden abgeliefert. Und ihr letztes bisschen Hoffnung erstarb.
»Nichts«, flüsterte sie und schüttelte enttäuscht den Kopf.
»Sieh mal, die Idee war gut. Aber wir wussten doch beide, dass die Chancen nicht gerade groß waren.«
»Duhastjarecht.«SielehntesichaufihremStuhlzurückundwandtedasGesichtderDeckezu.Alssieschließlichweitersprach,redetesiesoleise,dassersiefastnichtverstand – vorallemüberdieStimmedesModeratorshinweg,dieimmernochmonotonausdenLautsprecherndrang.»Vielleichtistesauchbesserso.«
Obwohl er zu begreifen glaubte, fragte er dennoch: »Warum?«
Sie starrte immer noch zur Decke, begegnete seinem Blick nicht. »Weil ich ihn bisher nur in meinen Albträumen höre. Wenn ich seine Stimme jetzt auch noch bei Tage vernehme, kriege ich den Klang vielleicht nie mehr aus dem Schädel.«
Wyatt hielt ihren resignierten Tonfall kaum aus – und ihre schicksalsergebene Körperhaltung erst recht nicht. Himmel, Lily hatte so viel durchgemacht, sie hatte ein wenig Frieden verdient. Und wenn sie erst einmal sicher sein konnte, dass ihr ehemaliger Peiniger nie wieder Hand an sie legen könnte, würde sie diesen Frieden finden.
»Wir werden ihn aufspüren«, versprach Wyatt. Er legte ihr ermutigend eine Hand auf die Schulter. Diesmal wich sie ihm nicht aus. »Ich verspreche dir, dass wir ihn fassen werden.«
Sie wandte den Kopf um und blickte ihn mit ihren blassblauen Augen an, in die Enttäuschung geschrieben stand. »Mir steht das Wasser bis zum Hals, Wyatt. Ich habe keine Kraft mehr zum Schwimmen. Ich gehe zwar nicht unter, aber ich komme auch nicht näher ans Ufer.«
Er hätte irgendetwas Tröstendes murmeln, ihr vielleicht wieder über die Schulter streicheln sollen. Stattdessen streckte er die Arme aus und zog sie auf seinen Schoß. Lily widersetzte sich nicht, als bräuchte sie seine Wärme, den Körperkontakt, die Bestätigung, dass sie nicht allein war.
»Ist schon gut«, flüsterte er. »Du musst nicht immer so verdammt stark sein, Lily.«
Er drückte sie an sich, fuhr ihr durch das kurze Haar, rief sich das frühere Blond in Erinnerung. Dann erreichten seine Finger ihre Narben. Sanft strich er darüber. Bei der Berührung schlang er unwillkürlich die Arme fester um sie, verspürte den Wunsch, sie vor allem Leid zu beschützen.
Lilys Kopf ruhte an seiner Schulter; ihr Mund befand sich so dicht an seinem Hals, dass ihre warmen Atemzüge über seine Haut strichen. Er spürte, wie ihr Herz pochte.
Genau wie seines.
Begehren stieg in ihm auf, unerwartet und überwältigend. Schweiß trat ihm auf die Stirn, jeder Muskel
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