Black CATS - Parrish, L: Black CATS
zarter, köstlicher Duft von Wildkirsche stieg von ihrer Haut auf. Ihre Lieblingshautcreme. Er hatte das Döschen in ihrer Wohnung entdeckt, als er sie nach ihrem »Tod« ausgeräumt hatte, und Lily gleich mit einem großen Vorrat ausgestattet. Daher roch sie jetzt genauso wie die liebenswerte, zurückhaltende junge Frau von damals.
Diese Frau gibt es nicht mehr.
Doch obwohl der Duft unwillkürlich den Beschützerinstinkt in ihm weckte, waren da auch noch andere Sinneswahrnehmungen. Ihr nacktes Bein, das seine Jeans streifte, machte ihn nervös – genau wie der Klang ihrer ruhigen Atemzüge. Ihre Hand, die neben seiner auf dem Tisch lag, war so zart, so zerbrechlich – doch die sonnengebräunten Arme, die das Trägertop entblößte, zeigten wohldefinierte Muskeln.
Sie war zugleich stark und zerbrechlich, anmutig und hart im Nehmen. Die reizvollste Herausforderung, der er jemals begegnet war.
Und du glaubst, sie könnte eine Mörderin sein?
Nein. Das glaubte er nicht. Als er am Tatort des letzten Mordes gestanden hatte, hatte die Beweislage geradezu vernichtend gewirkt. Doch schon ein einziger Tag in ihrer Nähe hatte ihm wieder ins Gedächtnis gerufen, warum Lily nicht der bösartige, kaltblütige Mörder sein konnte, hinter dem er her war.
Konnte er sich vorstellen, wie sie mit einer Pistole auf den Mann schoss, der sie misshandelt hatte, wenn er auf sie losging und sie erneut verletzen wollte? Aber sicher. Er an ihrer Stelle würde genau dasselbe tun.
Aber würde sie irgendwelche fremden Männer ermorden, mit all der Voraussicht, der Planung und der Grausamkeit, die an den Tatorten erkennbar gewesen waren? Er glaubte einfach nicht daran. Und er kam sich fast dumm vor, weil er mit der Absicht hergekommen war, Lily auszuspionieren.
Es musste irgendetwas anderes vor sich gehen, das entweder rein zufällig so viele Verbindungen zu Lilys Leben aufwies …
… oder eben nicht.
Die zweite Variante war es, die ihn mit Sorge erfüllte. Die ihm schlaflose Nächte bereiten würde, bis er herausfand, wer der Lilienmörder war und was er mit Lily Fletcher zu tun hatte.
Natürlich gab es eine naheliegende Erklärung. Weil Lovesprettyboys sich vergeblich bemüht hatte herauszufinden, was mit Lily nach ihrer Flucht geschehen war, versuchte er jetzt möglicherweise, die Polizei dazu zu bekommen, ihm diese Arbeit abzunehmen. Er glaubte, dass Lily außer ihm die Einzige war, die wusste, was in jener Nacht, als der Lieferwagen von der Brücke auf der Route 17 in den York River gestürzt war, wirklich passiert war. Und dieses Wissen musste ihn wahnsinnig machen. Da er allerdings nicht die geringste Ahnung hatte, was inzwischen mit ihr geschehen war, musste er befürchten, dass sie wieder auftauchte und anklagend den Finger auf ihn richtete.
Also ließ er es so aussehen, als sei sie eine Serienmörderin, damit die Behörden wieder auf Lilys ungelöstes Schicksal aufmerksam würden – schließlich hatten sie nie eine Leiche gefunden. Wenn diese grausamen Verbrechen Zweifel an ihrem »Tod« aufkommen ließen, konnte die darauffolgende Ermittlung allen – sowohl der Polizei als auch dem Täter – die Wahrheit über Lily Fletcher offenbaren. Was mit ihr geschehen war. Und wo sie sich jetzt aufhielt.
Der Täter würde verhindern wollen, dass sie verhaftet wurde, denn dann würde sie womöglich erzählen, was sie wusste. Er wollte lediglich, dass sie gefunden und vielleicht sogar zum Verhör zurück nach Washington gebracht wurde. Damit sie in seine Schusslinie geriet.
Großer Gott.
Bisher schien Wyatt der Einzige zu sein, der Lily mit den ermordeten Männern in den Hotelzimmern in Verbindung brachte. Gott stehe ihnen bei, wenn jemand wie Anspaugh, der sowohl mit Lily als auch mit Wyatt noch eine Rechnung offen hatte, über die Hinweise stolperte.
Wyatt musste sich beeilen. Er musste Lovesprettyboys finden – dann konnte er vielleicht sogar beide Fälle lösen. Und erst, wenn der Mann hinter Gittern saß, wäre Lily endlich in Sicherheit und frei von jeglichem Verdacht.
»Also gut, machen wir weiter. Meinetwegen können wir uns jetzt die Mitschnitte von den Seminaren anhören«, sagte Lily. Sie schien die körperliche Nähe, die Wyatt so zu schaffen machte, überhaupt nicht wahrzunehmen. »Ich muss ja nicht auf den Inhalt achten; wir sollten also eigentlich schnell vorankommen.«
Je eher sie fertig wurden, desto besser. Wyatt glaubte nicht, dass bei dieser Methode irgendetwas Brauchbares herausspringen würde. Es gab
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