Black CATS - Parrish, L: Black CATS
kannte. Möglicherweise war ihnen gerade der wichtigste Durchbruch in diesem Fall gelungen. Nach all den Monaten hatte die Aufnahme einer einfachen Frage ihnen nun vielleicht die Identität von Lovesprettyboys geliefert.
Lily hörte sich die Antwort an und dann den schwer verständlichen Dank des Fragestellers, der abermals ohne Mikro gesprochen hatte – anscheinend saß er bereits wieder auf seinem Platz. Als es vorbei war, drückte Lily auf Pause, spulte zurück und ließ den Wortwechsel noch einmal durchlaufen.
»Er klingt kaltherzig, findest du nicht? Nach außen hin freundlich, als ob er jemanden aufziehen will, den er gut kennt. Aber in Wirklichkeit … «
»Kaltherzig. Genau.« Mehr noch, wie sie jetzt wussten. Er war böse.
Nach dem dritten Mal hielt Lily die Wiedergabe an, aber diesmal spulte sie nicht zurück. Stattdessen lagen ihre Finger reglos auf der Tastatur; sie richtete sich wieder auf und starrte geistesabwesend auf den Bildschirm. Wyatt ahnte, dass sie innerlich diese Stimme hörte, die unzählige andere Dinge sagte. Worte, die sich ihr tief ins Unterbewusstsein eingeprägt hatten.
Aber sie gab dieser Stimme nicht nach. Schrak nicht zusammen, ließ sich nicht von der Angst überwältigen. Verkroch sich nicht einmal ansatzweise in ihrem Schneckenhaus. Im Gegenteil, ihr vorgerecktes Kinn verkündete Entschlossenheit; ihr ganzer Körper spannte sich an, als wolle sie sich verteidigen.
Das würde sie nicht müssen. Verflucht, er würde nicht zulassen, dass sie das je wieder müsste.
»Vielleicht kann Dr. Kean den Fragesteller identifizieren. Schließlich klang es, als wären die beiden schon früher mal aneinandergeraten«, überlegte Wyatt, in dem festen Glauben, dass sie auf der richtigen Spur waren.
»Genau. Und dann haben wir einen Verdächtigen.«
»Aber mehr auch nicht«, erwiderte er, um sie davor zu warnen, sich allzu große Hoffnungen zu machen. »Vergiss nicht, ich kann dem Kerl nichts anhaben, kann ihn nicht anklagen, nicht einmal einen Haftbefehl auf ihn ausstellen, solange ich keinen Beweis gegen ihn vorbringen kann. Nämlich dich.«
Sie nickte knapp.
»Daher muss Lily Fletcher von den Toten auferstehen und aussagen.«
Ihre Wangen, die heute Morgen beim Frühsport am Strand so rosig geleuchtet hatten, waren jetzt kreidebleich. »Zählt das denn überhaupt? Meine Aussage, meine ich?«
»Natürlich zählt sie.«
»Ich bin völlig unglaubwürdig. Die verängstigte Agentin, die ihren eigenen Tod vorgetäuscht hat.«
Mit einer Lily, die um ihr eigenes Leben bangte, wurde Wyatt fertig; dafür hatte sie guten Grund. Aber er würde nicht zulassen, dass sie die Entscheidungen bereute, derentwegen sie noch am Leben war. Er umschloss mit einer Hand ihr Kinn und drehte ihren Kopf herum, damit sie ihm in die Augen sah.
»Es ist nicht deine Schuld, dass alle Welt dich für tot hält. Dass du instinktiv die Flucht ergriffen und dich versteckt hast, um zu überleben, kann dir niemand zum Vorwurf machen. Schließlich hast du gehofft, dass das Ungeheuer, das versucht hat dich umzubringen, geschnappt wird.«
Sie leckte sich über die Lippen und dankte ihm mit einem Nicken für die aufmunternden Worte. Wyatt ließ die Hand sinken.
»Ich muss Brandon anrufen«, sagte er und eilte bereits zur Tür. »Er soll den Gesprächsabschnitt ausschneiden und so gut wie möglich säubern.«
»Und dann?«
»Und dann«, antwortete er, »lasse ich mir einen Termin beim Arzt geben.«
Irgendetwas würde geschehen. Und zwar bald.
Nach all den Monaten, all der Manipulation und den Anstrengungen, würde diese Tortur ein Ende finden. Die Ungewissheit, die Angst, die Sorge, dass Lily Fletcher eines Tages aus ihrem Loch hervorgekrochen kam, wo auch immer sie steckte, und alles verdarb – das alles wäre endlich vorbei. Kein Grübeln mehr. Kein Horchen auf ein Klopfen an der Tür, vor der vielleicht die Polizei oder das FBI stand. Kein Spekulieren mehr darüber, was die Agentin wusste, woran sie sich erinnerte, wie viel sie gehört hatte oder wen sie identifizieren konnte.
Fletcher war damals schwer verwundet gewesen. Kaum bei Bewusstsein. Hatte Fieber und Schmerzen gehabt, sich mit ihrer toten Schwester und deren Sohn unterhalten und hätte eigentlich von ganz allein sterben müssen.
»Und, bist du gestorben?«
Anfangs hatte diese Variante am wahrscheinlichsten ausgesehen. Dass in den Medien nichts zu finden gewesen war, obwohl die ganze Geschichte ziemliches Aufsehen hätte erregen müssen, musste nichts
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