Black Dagger 07 - Menschenkind
hinunter, den Kopf in einer Patientenakte vergraben. Merkwürdig … seine Schuhe waren mit gelben Plastikhüllen überzogen, wie er sie sonst zu einem ABC-Schutzanzug trug.
»Warst du schon wieder in deinem Labor, Brüderchen?«, fragte sie.
Ruckartig hob er den Blick von seiner Akte und schob sich die Hornbrille auf der Nase hoch. Seine fröhliche rote Fliege saß schief am Hals. »Wie bitte?«
Lächelnd deutete sie mit dem Kopf auf seine Schuhe. »Das Labor.«
»Ach so … ja, war ich.« Er beugte sich herunter, zog die Hüllen von seinen Schuhen und zerknüllte das gelbe Plastik in den Händen. »Marissa, könntest du mir einen Gefallen tun und ins Haus zurückkehren? Ich habe den Leadhyre und sieben weitere Mitglieder des Princeps -Rats am kommenden Montag zum Essen eingeladen. Das Menü muss perfekt sein. Ich würde ja selbst mit Karolyn sprechen, aber ich muss in den OP.«
»Aber natürlich.« Doch dann schlich sich ein misstrauischer Ausdruck auf Marissas Gesicht, da ihr Bruder regungslos wie eine Statue stehen blieb. »Ist alles in Ordnung?«
»Ja, danke. Geh … geh jetzt. Geh … bitte jetzt.«
Sie war stark versucht nachzuhaken, doch sie wollte ihn nicht von der Operation der Kleinen abhalten, also küsste sie ihn auf die Wange, rückte seine Fliege gerade und ging. An der Doppeltür zum Empfangsbereich jedoch wandte sie sich noch einmal um.
Havers stopfte die Plastikhüllen von seinen Füßen in einen Eimer für Biomüll, auf seinem Gesicht waren tiefe Falten zu sehen. Er holte tief Luft, dann drückte er die Tür zum Vorraum des OP auf.
Ach so, dachte sie, das war es. Die Operation des Mädchens machte ihm zu schaffen. Wer konnte ihm das verdenken?
Sie wandte sich zurück zur Tür … und dann hörte sie die Stiefel.
Sie erstarrte. Nur eine Sorte Mann machte so einen donnernden Lärm, wenn er sich näherte.
Ihr Kopf wirbelte herum, und sie sah Vishous den Flur entlangkommen, den dunklen Kopf gesenkt. Hinter ihm gingen Phury und Rhage, in ähnlich bedrohlicher Haltung. Alle drei strotzten vor Waffen, und Vishous hatte getrocknetes
Blut auf der Lederhose und der Jacke. Die Männer wirkten schon auf den ersten Blick furchtbar erschöpft. Aber warum waren sie in Havers’ Labor gewesen? Denn das war eigentlich die einzige Räumlichkeit dort hinten.
Die Brüder bemerkten Marissa erst, als sie sie praktisch über den Haufen rannten. Kollektiv blieben sie stehen, die Augen blitzschnell abgewandt, zweifellos weil sie bei Wrath in Ungnade gefallen war.
Gütige Jungfrau, von Nahem sahen sie wirklich furchtbar aus. Krank, aber nicht unwohl, wenn das irgendeinen Sinn ergab.
»Kann ich etwas für euch tun?«, fragte sie.
»Alles wunderbar«, sagte Vishous mit harter Stimme. »Entschuldige uns.«
Der Traum … Butch im Schnee liegend … »Ist jemand verletzt? Ist Butch …«
Vishous zuckte nur die Achseln und schritt an ihr vorbei, dann drückte er die Tür zum Empfangsraum auf. Die anderen beiden lächelten steif und folgten ihm.
Sie ging ihnen mit einigem Abstand nach, am Schwesternzimmer vorbei bis zum Aufzug. Während sie darauf warteten, dass die Türen sich öffneten, legte Rhage Vishous eine Hand auf die Schulter. Der andere Bruder schien zu zittern.
Diese Geste ließ ihre Alarmglocken schrillen, und sobald die Aufzugtüren sich wieder geschlossen hatten, machte Marissa sich auf den Weg in den Klinikflügel, aus dem die drei gerade gekommen waren. Rasch lief sie an dem geräumigen, hell erleuchteten Labor vorbei und steckte ihren Kopf in die sechs älteren Krankenzimmer. Alle waren leer.
Warum waren die Brüder hier gewesen? Vielleicht nur, um mit Havers zu sprechen?
Einem Instinkt folgend ging sie zur Rezeption, loggte sich in den Computer ein und durchsuchte die Aufnahmen. Es
war nichts über einen der Brüder oder Butch zu finden, doch das hieß noch gar nichts.
Die Krieger wurden nie registriert, und sehr wahrscheinlich würde mit Butch genauso verfahren, wenn er hier wäre. Was sie wissen wollte, war, wie viele der fünfunddreißig vorhandenen Betten belegt waren.
Die Zahl erschien, und Marissa machte einen schnellen Rundgang durch alle Zimmer. Alles stimmte überein. Nichts Ungewöhnliches zu erkennen. Butch war nicht aufgenommen worden – außer natürlich, er befand sich in einem der anderen Räume im Haupthaus. Manchmal wurden prominente Patienten dort untergebracht.
Marissa raffte ihre Röcke und eilte auf die Hintertreppe zu.
Butch rollte sich zusammen, obwohl ihm
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