Black Dagger 07 - Menschenkind
wär’s, wenn du mir mal die schwarze Klinge zurückgibst, Kumpel?«
Butch gehorchte, und V wischte das Messer an der Lederhose ab, bevor er es wieder in den Schaft steckte.
Jetzt schlang Butch die Arme um seinen Körper. »Ich will nicht in Marissas Nähe sein, wenn ich so bin, okay?«
»Kein Problem. Ich kümmere mich um alles.«
»V?«
»Was denn?«
»Ich würde eher sterben, als dich verletzen.«
Vs Blick schnellte quer über den Sitz. Das Gesicht des Polizisten war finster, die braunen Augen todernst, die Worte kein bloßer Ausdruck eines Gedankens, sondern ein Schwur: Butch O’Neal war bereit, sich aus dem Spiel des
Lebens zu verabschieden, falls es kritisch wurde. Und er war auch absolut in der Lage dazu.
Wieder zog V an seiner Zigarette, bemüht, sich nicht noch enger an den Menschen zu binden. »Dazu wird es hoffentlich nicht kommen.«
Bitte, gütige Jungfrau, lass es nicht dazu kommen.
19
Marissa lief zum wiederholten Male in der Bibliothek der Bruderschaft einen Kreis ab und landete schließlich vor dem Fenster, das auf Terrasse und Pool blickte.
Der Tag musste warm gewesen sein, dachte sie. Es waren Löcher in den Schnee geschmolzen, durch die man den schwarzen Schiefer der Terrasse und die braune Erde des Rasens erkennen …
Ach, wer zum Henker interessierte sich schon für die Landschaft.
Butch war nach dem Ersten Mahl weggefahren, er müsse kurz etwas erledigen, hatte er gesagt. Was völlig okay war. Super. Gar kein Problem. Aber das war vor zwei Stunden gewesen.
Blitzschnell drehte sie sich um, als jemand den Raum betrat. »Butch – o, du bist es.«
Vishous stand da, ein Vollblutkrieger, eingerahmt von dem prächtigen vergoldeten Blätterschmuck des Türrahmens.
Gütige Jungfrau im Schleier … seine Miene war völlig ausdruckslos. So ein Gesicht setzte man auf, wenn man schlechte Nachrichten zu überbringen hatte.
»Sag mir, dass er noch lebt«, bat sie. »Rette auf der Stelle mein Leben, und sag mir, dass er noch lebt.«
Vishous nickte. »Er lebt.«
Vor Erleichterung gaben ihre Knie nach. »Aber er kommt nicht, oder?«
»Nein.«
Abwesend bemerkte sie, dass er zu seiner schwarzen Lederhose ein edles weißes Hemd trug. Turnbull & Asser. Sie erkannte den Schnitt. Butch trug so etwas.
Marissa legte sich einen Arm um die Taille, überwältigt von Vishous, obwohl er sich am anderen Ende des Raumes befand. Er wirkte so gefährlich – und zwar nicht wegen der Tätowierungen an der Schläfe oder dem schwarzen Ziegenbärtchen oder dem furchterregenden Körper. Der Bruder war durch und durch kalt, und jemand, der so unnahbar war, war zu allem fähig.
»Wo ist er?«, wollte sie wissen.
»Es geht ihm gut.«
»Warum ist er dann nicht hier?«
»Nur ein kurzer Kampf.«
Ein kurzer Kampf. Wieder gaben ihre Knie nach, als Erinnerungen an Butchs Krankenlager über sie hereinbrachen. Sie sah ihn in dem Krankenhauskittel zwischen den weißen Laken liegen, zerschunden, dem Tode nah. Verseucht von etwas Bösem.
»Ich will ihn sehen.«
»Er ist nicht hier.«
»Ist er bei meinem Bruder?«
»Nein.«
»Und du wirst mir nicht sagen, wo er ist, oder?«
»Er wird dich bald anrufen.«
»Hatte es etwas mit den Lessern zu tun?« Doch Vishous blickte sie nur weiterhin an, und ihr Herz fing an zu rasen. Sie könnte nicht ertragen, wenn Butch in diesen Krieg hineingezogen würde. Seht doch nur, was man ihm schon angetan hat. »Gottverdammt, sag es mir, wenn es mit den Jägern zu tun hatte, du selbstgefälliger Mistkerl.«
Nichts als Schweigen. Was natürlich ihre Frage beantwortete. Und außerdem darauf schließen ließ, dass es Vishous egal war, ob sie eine gute Meinung von ihm hatte.
Nun raffte Marissa ihre Röcke und marschierte auf den Bruder zu. Sie musste den Kopf in den Nacken legen, um ihm in die Augen zu sehen. Gott, diese Augen, diese diamantweißen Augen mit den mitternachtsblauen Linien um die Iris herum. Kalt. So bitterkalt.
Sie bemühte sich, ihr Zittern zu verbergen, doch es entging ihm nicht.
»Hast du Angst vor mir, Marissa?«, fragte er. »Was genau glaubst du, würde ich mit dir machen?«
Sie überging seine Frage. »Ich will nicht, dass Butch kämpft.«
Eine schwarze Augenbraue wurde hochgezogen. »Das liegt nicht in deiner Entscheidung.«
»Es ist zu gefährlich für ihn.«
»Nach heute Abend bin ich mir da nicht mehr so sicher. «
Das harte Lächeln des Bruders ließ sie einen Schritt rückwärts machen, doch die Wut bewahrte sie vor einem völligen Rückzug.
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