Black Dagger 08 - Vampirherz
unsicher, ob er ihre Anwesenheit überhaupt zur Kenntnis nehmen würde. Aber das tat er. Sein Blick fiel auf ihre Hose, und er zuckte zusammen.
»Marissa.«
»Havers.«
»Du siehst … gut aus.«
Freundliche Worte. Aber er meinte damit, dass sie anders aussah. Und er das nicht billigte. »Es geht mir gut.«
»Ich muss gehen.«
Als er verschwand, ohne auf eine Entgegnung zu warten, stieg Wut in ihr auf, aber sie ließ kein böses Wort über ihre Lippen schlüpfen. Stattdessen ging sie zu dem Bett und setzte sich auf die Kante. Sie nahm die Hände des kleinen
Mädchens in ihre und suchte nach den passenden Worten. Doch die melodische Stimme der Kleinen kam ihr zuvor.
»Mein Vater ist tot«, stellte sie sachlich fest. »Meine Mahmen hat Angst. Und wir haben keinen Schlafplatz, wenn wir hier weggehen.«
Kurz schloss Marissa die Augen und dankte der Jungfrau der Schrift, dass sie wenigstens für eines dieser Probleme eine Lösung hatte. Sie sah die Mutter an. »Ich weiß einen Ort, wo ihr hingehen könnt.«
Die Vampirin schüttelte langsam den Kopf. »Wir haben kein Geld …«
»Aber ich kann die Miete bezahlen«, verkündete die Kleine und hielt ihren zerlumpten Tiger hoch. Sie löste vorsichtig die Naht auf der Rückseite und steckte die Hand hinein. Der Wunschteller kam zum Vorschein. »Das ist Gold, oder? Und Gold ist wie Geld, stimmt’s?«
Marissa atmete tief ein und riss sich zusammen, um nicht in Tränen auszubrechen. »O nein, das war ein Geschenk von mir an dich. Und ihr müsst auch keine Miete bezahlen. Ich habe ein leeres Haus, und es muss mit Leben gefüllt werden. « Erneut sah sie die Mutter an. »Ich würde mich riesig freuen, wenn ihr beide dort mit mir zusammen wohnen würdet, sobald alles bereit ist.«
Als John schließlich nach seinem Zusammenbruch zurück in die Umkleide ging, war er ganz allein. Wrath war ins Haupthaus zurückgekehrt, Lash in die Klinik gebracht worden, und die anderen waren nach Hause gegangen.
Was gut war. In der überwältigenden Stille duschte er so lange wie noch nie in seinem Leben, stand einfach nur unter dem heißen Strahl und ließ das Wasser auf sich herabprasseln. Ihm tat alles weh. Ihm war schlecht.
Mannomann. Hatte er wirklich den König gebissen? Einen Klassenkameraden windelweich geprügelt?
John lehnte sich mit dem Rücken an die Fliesen. Trotz all des Wassers und all der Seife wurde er nicht sauber. Er kam sich immer noch eigenartig … schmutzig vor. Andererseits gaben einem Schmach und Scham auch das Gefühl, in Kuhfladen gebadet zu haben.
Unwillig sah er an seinen spärlichen Brustmuskeln, der eingesunkenen Bauchhöhle und den spitzen Hüftknochen herab, an seinem durch und durch unscheinbaren Geschlechtsteil vorbei auf seine kleinen Füße. Dann wanderte sein Blick weiter zu dem Abfluss, durch den Lashs Blut geflossen war.
Er hätte ihn töten können, stellte er fest. So außer Kontrolle war er gewesen.
»John?«
Er riss den Kopf hoch. Zsadist stand im Eingang zu den Duschen, die Miene völlig ungerührt.
»Wenn du fertig bist, kommst du ins Haupthaus. Wir sind in Wraths Arbeitszimmer.«
John nickte und drehte das Wasser ab. Es war nicht ausgeschlossen, dass man ihn aus dem Trainingsprogramm werfen würde. Vielleicht sogar aus dem Haus. Und er konnte es ihnen nicht verdenken. Nur, wo sollte er dann hingehen?
Wieder allein trocknete John sich ab, zog seine Kleider an und ging über den Flur in Tohrs Büro. Er musste die Augen den gesamten Weg durch den Tunnel gesenkt halten. Denn seine Erinnerungen an Tohrment konnte er augenblicklich nicht ertragen. Nicht eine davon.
Wenige Minuten später stand er im Foyer des Hauses und sah die breite Freitreppe hinauf. Langsam stieg er die mit rotem Teppich bezogenen Stufen hinauf. Er war unerträglich müde und die Erschöpfung wurde noch schlimmer, als er oben ankam: Die Flügeltür zu Wraths Büro stand offen, und man hörte Stimmen, die des Königs und auch die der Brüder. Wie er sie alle vermissen würde, dachte er.
Das Erste, was ihm beim Eintreten in den Raum auffiel, war Tohrs Sessel. Das hässliche grüne Ungetüm stand nun leicht nach hinten versetzt links vom Thron. Seltsam.
John ging nach vorn und wartete darauf, dass man ihn bemerkte.
Wrath saß über einen mit Papierstapeln bedeckten, antiken kleinen Schreibtisch gebeugt, eine Lupe in der Hand, die ihm offenbar das Lesen erleichterte. Z und Phury standen zu beiden Seiten des Königs, beide ebenfalls über die Karte gebeugt, die
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