Black Dagger 09 - Seelenjäger
stieße er einen Schrei aus. Seine Furcht rührte sie an; er wirkte wie ein Wolf, dessen Pfote in einer Falle steckte: Hilf mir, dann töte ich dich unter Umständen nicht, wenn du mich befreist. Sie legte ihm die Hand auf die Schulter. »Ist ja gut, ist ja gut, so weit muss es ja nicht kommen. Aber den Schlauch brauchen wir – «
Die Tür ging auf, und Jane wurde stocksteif.
Die beiden Männer, die hereinkamen, waren in schwarzes Leder gekleidet und sahen aus wie Kerle, die Waffen am Körper trugen. Einer war der wahrscheinlich größte, attraktivste blonde Mann, den sie je zu Gesicht bekommen hatte.
Der andere erschreckte sie. Er hatte sich eine Red-Sox-Kappe tief ins Gesicht gezogen und war von einem furchtbaren Dunstkreis der Bösartigkeit umgeben. Von seinem Gesicht konnte sie nicht viel erkennen, aber seiner grauen Blässe nach zu urteilen war er krank.
Janes erster Gedanke beim Anblick der beiden war, dass die zwei wegen ihres Patienten gekommen waren, und zwar nicht nur, um ihm Blümchen zu bringen und ihn aufzuheitern.
Ihr zweiter Gedanke war, dass sie den Sicherheitsdienst rufen musste. Schleunigst.
»Raus hier«, sagte sie. »Sofort.«
Der Vordere, der mit der Baseballkappe, ignorierte sie einfach und ging zum Bett. Als die Blicke der beiden Männer sich trafen, fassten er und ihr Patient sich an den Händen.
Mit heiserer Stimme sagte Red Sox: »Ich dachte, wir hätten dich verloren, du Arschloch.«
Die Augen ihres Patienten schienen angestrengt kommunizieren zu wollen. Dann schüttelte er nur den Kopf von einer Seite des Kissens zur anderen.
»Wir bringen dich jetzt nach Hause, okay?«
Als ihr Patient nickte, dachte Jane sich, Schluss jetzt mit dem Geplauder. Sie machte einen Satz auf den Notfallklingelknopf zu, und zwar dem, der einen Herzstillstand anzeigte und dementsprechend die halbe Besatzung ins Zimmer rufen würde.
Sie schaffte es nicht.
Der Kumpel von Red Sox, der schöne Blonde, bewegte sich so schnell, dass sie ihm nicht mit den Augen folgen konnte. Im einen Moment stand er noch an der Tür; im nächsten umschlang er sie von hinten und hob sie hoch. Als sie zu brüllen anfing, legte er ihr die Hand auf den Mund und bändigte sie mit einer Leichtigkeit, als wäre sie nur ein Kind, das einen Wutanfall hat.
In der Zwischenzeit befreite Red Sox den Patienten systematisch von allen Schläuchen, Kathetern, Drähten und Monitoren.
Jane rastete völlig aus. Als sämtliche Warnsignale der Maschinen loslegten, holte sie mit dem Fuß aus und trat ihrem Gegner vor das Schienbein. Der blonde Koloss grunzte, quetschte ihr dann aber einfach den Brustkorb zusammen, bis sie so beschäftigt mit Luftholen war, dass sie das Fußballmanöver vorübergehend einstellte.
Wenigstens würde der Lärm die andern …
Das schrille Piepen verstummte, obwohl niemand die Apparate angefasst hatte. Und sie hatte die furchtbare Ahnung, dass niemand kommen würde.
Jane wehrte sich noch heftiger, bis ihr die Tränen in die Augen traten.
»Ganz locker bleiben«, raunte ihr der Blonde ins Ohr. »Wir sind in einer Minute wieder verschwunden. Entspann dich einfach.«
Nichts dergleichen würde sie, verflucht noch mal. Die wollten ihren Patienten umbringen …
Der Patient machte einen selbstständigen, tiefen Atemzug. Und noch einen. Und noch einen.
Dann hefteten sich diese unheimlichen Diamantaugen wieder auf sie, und sie wurde reglos, als hätte er sie durch seinen bloßen Willen dazu gebracht.
Einen Augenblick lang herrschte Stille. Und dann sprach ihr Patient mit rauer Stimme vier Worte, die alles veränderten … ihr Leben, ihr Schicksal:
»Sie. Kommt. Mit. Mir.«
In der Zwischenzeit hackte sich Phury rasch in das Datensystem des Krankenhauses ein. Er war nicht so ein Zauberer an der Tastatur wie V, aber hierfür reichte es aus. Er fand die Einträge unter dem Namen Michael Klosnick und verunreinigte
die Daten zu Vishous’ Behandlung durch wahllose Skriptsprachen: Alle Testergebnisse, Scans, Röntgenbilder, digitalen Fotos, Abläufe, OP-Protokolle wurden unlesbar. Dann trug er eine kurze Anmerkung ein, dass Klosnick mittellos sei und auf eigenes Risiko die Klinik verlassen habe.
Gott, er liebte kompakte, digitalisierte Krankenakten. Ein Kinderspiel.
Zusätzlich reinigte er die Gedächtnisse der meisten Angehörigen des Personals. Auf dem Weg nach oben hatte er einen Abstecher in den Operationstrakt gemacht und ein kleines Tête-à-tête mit den diensthabenden Schwestern gehabt. Das Glück war auf
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