Black Dagger 09 - Seelenjäger
seit einer Weile. Das Portrait war vollendet. Er hatte es vor etwa einer Stunde fertig gezeichnet und versuchte jetzt, sich aufzuraffen, es zu zerknüllen und wegzuwerfen.
Obwohl er mit seinen Bildern nie zufrieden war, gefiel ihm das hier beinahe. Aus der Leere des Blattes heraus waren Gesicht, Hals und Haare einer Frau durch kräftige Bleistiftstriche geformt worden. Bella blickte nach links, ein zartes Lächeln auf den Lippen, eine Strähne ihres dunklen Haares über der Wange. Er hatte diese Pose heute beim Letzten Mahl erhascht. Sie hatte Zsadist angesehen, was
auch die geheimnisvoll nach oben geneigten Mundwinkel erklärte.
Egal, aus welchem Blickwinkel er sie schon gezeichnet hatte, Phury ließ sie immer in die andere Richtung sehen. Es käme ihm unangemessen vor, wenn ihre Augen aus dem Blatt blicken würden, zu ihm. Ach Quatsch, sie überhaupt zu zeichnen war unangemessen.
Er legte die Hand flach auf das Papier, bereit, es zusammenzuknüllen.
Im letzten Moment griff er stattdessen nach dem Joint. Er brauchte künstliche Linderung, da sein Herz zu heftig schlug. In letzter Zeit rauchte er ziemlich viel. Mehr als je zuvor. Und obwohl er sich schmutzig fühlte, wenn er sich so stark auf den chemischen Trost verließ, kam ihm nie der Gedanke, damit aufzuhören. Ohne Hilfe durch den Tag zu kommen, war unvorstellbar.
Als er erneut einen Zug nahm und den Rauch in den Lungen behielt, dachte er kurz an seine flüchtige Begegnung mit Heroin. Damals im Dezember war der Rückwärtssalto von der H-Klippe nicht durch seine eigene kluge Entscheidung verhindert worden, sondern weil John Matthew zufällig den richtigen Augenblick wählte, um ihn zu stören.
Phury stieß den Rauch aus und starrte die Spitze des Joints an. Die Versuchung, etwas Härteres auszuprobieren, war wieder da. Er spürte den Drang, zu Rehv zu gehen und ihn wieder um ein Tütchen schöne Träume zu bitten. Vielleicht fände er dann etwas Frieden.
Ein Klopfen an der Tür ertönte, und Zs Stimme sagte: »Kann ich reinkommen?«
Phury stopfte die Zeichnung in das Buch und klappte es zu. »Ja.«
Z kam durch die Tür, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Die Hände in die Hüften gestützt tigerte er vor dem Fußende des Bettes auf und ab, auf und ab. Phury wartete,
zündete sich einen neuen Joint an und folgte seinem eineiigen Zwilling mit den Augen, während dieser den Teppich abnutzte.
Man drängte Z ebenso wenig zum Sprechen, wie man einen Fisch durch einen Haufen Geplapper auf das ungemütliche Ende eines Angelhakens zwang. Schweigen war der einzige Köder, der funktionierte.
Schließlich blieb der Bruder stehen. »Sie blutet.«
Phurys Herz machte einen Satz, und erbreitete seine Hand über den Buchdeckel. »Wie schlimm und seit wann?«
»Sie versteckt es vor mir, deshalb weiß ich es nicht.«
»Wie hast du es herausgefunden?«
»Ich hab eine Schachtel Binden ganz hinten im Schrank neben der Toilette entdeckt.«
»Vielleicht sind sie schon älter?«
»Als ich das letzte Mal meinen Langhaarrasierer rausgeholt habe, waren sie noch nicht da.«
Mist. »Dann muss sie zu Havers.«
»Ihr nächster Termin ist erst in einer Woche.« Z nahm seine Wanderung wieder auf. »Ich weiß, dass sie mir nichts davon erzählt, weil sie Angst hat, dass ich dann durchdrehe. «
»Vielleicht braucht sie das, was du gefunden hast, zu einem anderen Zweck?«
Z blieb stehen. »Na klar. Genau. Weil diese Dinger ja multifunktional sind. Wie Wattestäbchen oder was. Bitte, kannst du nicht mal mit ihr sprechen?«
»Was?« Rasch nahm Phury einen Zug. »Das ist privat. Zwischen dir und ihr.«
Z rubbelte sich über den geschorenen Kopf. »Du kannst solche Sachen besser als ich. Das Letzte, was sie braucht, ist, dass ich vor ihr zusammenbreche, oder schlimmer noch, dass ich sie anbrülle, weil ich Todesangst habe und nicht vernünftig bleiben kann.«
Phury versuchte, tief durchzuatmen, aber er konnte kaum Luft durch seinen Hals quetschen. Er wollte so gerne helfen. Er wollte über den Flur mit den Statuen zum Zimmer des Paares gehen und sich zu Bella setzen und ihr die Wahrheit entlocken. Er wollte ein Held sein. Aber das stand ihm nicht zu.
»Du bist ihr Hellren. Du musst das Reden erledigen.« Phury drückte den Stummel seines Joints im Aschenbecher aus, drehte sich einen neuen und klappte sein Feuerzeug auf. Das Reibrad gab ein schnarrendes Geräusch ab, als die Flamme aufzüngelte. »Du schaffst das.«
Zsadist fluchte und machte noch ein paar Schritte, bis er
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