Black Dagger 10 - Todesfluch
abzuhauen?«
Ihre Augenbrauen schnellten nach oben. »Und wohin?«
»Weiß nicht. Einen Spaziergang machen. Oder so was.«
»Man sagte mir, ich darf erst gehen, wenn wir – «
»Die Lage ist doch folgendermaßen: Ich bin der Primal, richtig? Also gilt, was ich sage.« Er sah sie ruhig an. »Ich meine, du kennst dich da besser aus als ich. Liege ich damit falsch?«
»Nein, Ihr habt hier die Oberherrschaft. Nur die Jungfrau der Schrift steht über Euch.«
Er stieß sich von der Wand ab. »Dann gehen wir spazieren. Uns ein bisschen besser kennenzulernen, ist das mindeste, was wir in unserer Situation tun können.«
»Ich … habe kein Gewand.«
»Nimm den Vorhang. Ich drehe mich solange um.«
Er wandte ihr den Rücken zu, und bald darauf stand sie auf und wickelte den Stoff um ihren Körper. Niemals hätte sie das geahnt, dachte sie, weder dass der Primal ein anderer sein würde, noch seine Freundlichkeit oder seine … Schönheit. Denn in der Tat war er ihren Augen wohlgefällig. »Ich … bin so weit.«
Er marschierte zur Tür, und sie folgte ihm. Als sie ihm nahe war, wirkte er sogar noch größer, aber er roch wundervoll. Dunkle Gewürze, die in ihrer Nase kitzelten.
Als er die Tür aufzog, und sie die weiße Aussicht erblickte, zögerte sie.
»Was ist denn?«
Ihre Schmach war schwer in Worte zu kleiden. Ihre Erleichterung kam ihr selbstsüchtig vor. Und sie sorgte sich, dass ihr Makel auf die Gesamtheit der Auserwählten zurückfallen würde.
Ihr Magen zog sich zusammen. »Ich bin meiner Pflicht nicht nachgekommen.«
»Du hast nicht versagt. Wir haben den S- … ich meine die Vereinigung nur aufgeschoben. Es wird eines Tages passieren. «
Doch sie konnte die Stimmen in ihrem Kopf nicht zum
Verstummen bringen. Und auch nicht ihre Furcht. »Vielleicht solltet Ihr es einfach hinter Euch bringen?«
Er sah sie fragend an. »Gütiger Himmel, du hast wirklich Angst davor, die anderen zu enttäuschen.«
»Sie sind alles, was ich habe. Alles, was ich kenne.« Und die Directrix hatte ihr gedroht, sie auszustoßen, wenn sie die Tradition nicht aufrechterhielte. »Ohne sie bin ich ganz allein.«
Sehr lange sah er sie nur an. »Wie lautet dein Name?«
»Cormia.«
»Gut, Cormia. Du bist jetzt nie mehr allein. Denn jetzt hast du mich. Und weißt du was? Vergiss den Spaziergang. Ich habe eine andere Idee.«
Einbrüche gehörten zu Vishous’ Spezialitäten. Er war Experte für Safes, Autos, Schlösser, Häuser … und Büros. Genauso geschickt mit professioneller wie improvisierter Ausrüstung. Alles null Problem.
Die Tür zum feudalen Bürotrakt des St. Francis zu knacken, war also ein Kinderspiel.
Beim Hereinschlüpfen achtete er darauf, sein Mhis aufrechtzuerhalten, das die Überwachungskameras vernebelte und dafür sorgte, dass er von den wenigen Leuten, die sich um die Uhrzeit noch in dem Verwaltungsgebäude aufhielten, nicht bemerkt wurde.
Mann, das war ein echt schicker Bau hier. Riesiger Empfangsbereich, alles hochherrschaftlich, mit holzgetäfelten Wänden und Orientteppichen und allem Drum und Dran. Einige Nebenräume mit –
Da drüben war Janes Büro.
V legte seine Finger auf das Namensschild aus Messing an der Tür. Eingraviert in die polierte Platte stand: DR. JANE WHITCOMB, LEITUNG NOTFALLSTATION.
Er steckte den Kopf durch die Tür. Ihr Duft hing in der Luft, und da lag einer ihrer weißen Kittel zusammengefaltet auf einem Besprechungstisch. Auf ihrem Schreibtisch türmten sich Unterlagen, Akten und Post-it-Zettel, der Stuhl war zurückgeschoben, als wäre sie wegen eines Notfalls eilig aufgebrochen. An der Wand hingen einige Zeugnisse und Urkunden, Zeichen ihres steten Strebens nach Perfektion.
Er rieb sich über das Brustbein.
Wie um alles in der Welt sollte das zwischen ihnen funktionieren? Sie machte Überstunden. Er konnte sie nur nachts besuchen. Was, wenn das nicht ausreichte?
Aber das musste es. Er würde sie nicht darum bitten, ein ganzes Leben voller Arbeit und Disziplin und Erfolg für ihn aufzugeben. Das wäre, als verlangte sie, dass er die Bruderschaft im Stich ließe.
Als er ein Murmeln hörte, warf er einen Blick Richtung Empfangsbereich, wo ein Licht brannte.
Zeit, sich um den guten Dr. Manello zu kümmern.
Bring ihn nicht um, ermahnte V sich, während er auf die halboffene Tür zuging. Das wäre der totale Abturner, Jane anzurufen und ihr gestehen zu müssen, dass ihr Boss jetzt die Pflanzen düngte.
V blieb stehen und schielte um den Türpfosten herum in
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