Black Dagger 11 - Blutlinien
Augen.
Qhuinn hatte ein blaues und ein grünes Auge.
Natürlich gab es in seiner Blutlinie auch blaue und grüne Augen. Nur eben nicht in ein und derselben Person. Und Abweichungen standen allgemein nicht gerade hoch im Kurs – wer hätte das gedacht. Der Adel weigerte sich strikt, Defekte hinzunehmen, und Qhuinns Eltern war nicht nur fest eingebettet in die Glymera, da beide den sechs Gründerfamilien entstammten; sondern sein Vater war sogar einmal Leahdyre des Princeps -Rats gewesen.
Alle hatten gehofft, seine Transition würde das Problem beheben, wobei sowohl blau, als auch grün akzeptabel gewesen wären. Tja, leider verloren: Qhuinn war aus seiner Wandlung mit einem riesenhaften Körper, einem Paar Fänge, einem heftigen Verlangen nach Sex … und einem blauen und einem grünen Auge hervorgegangen.
Was für eine Nacht. Es war das erste und einzige Mal gewesen, dass sein Vater die Beherrschung verloren hatte. Das erste und einzige Mal, dass Qhuinn je geschlagen worden war. Und seitdem wich jeder aus seiner Familie, einschließlich der Dienstboten, seinem Blick aus.
Er machte sich nicht die Mühe, sich von seiner Mutter zu verabschieden, als er in die Nacht hinausging. Oder von seinen älteren Geschwistern.
Seit seiner Geburt stand er in dieser Familie im Abseits, durch eine Art genetischen Unfall auf die Ersatzbank verwiesen. Der einzige Trost für seine bedauernswerte Existenz – dem Wertesystem der Vampire zufolge – war die Tatsache, dass es zwei gesunde, normale Kinder in der Familie
gab, und dass der Älteste, sein Bruder, als brauchbar für die Fortpflanzung galt.
Qhuinn war immer der Ansicht gewesen, dass seine Eltern nach zwei Kindern besser mit der Fortpflanzung aufgehört hätten, dass ein dritter Versuch, ein gesundes Kind zu bekommen, das Schicksal herausforderte. Aber er musste nun mal damit leben. Er wünschte sich trotzdem, dass es anders wäre.
Wünschte sich, es wäre ihm gleichgültig.
Denn obwohl diese Gala eine alberne, steife Veranstaltung voller Typen in Pinguinanzügen und Schnepfen in teuren Roben wäre, wollte er den großen Sommerball der Glymera an der Seite seiner Familie feiern. Er wollte neben seinem Bruder stehen und nur einmal in seinem Leben etwas zählen. Er wollte sich wie alle anderen in Schale werfen und seinen Goldring tragen und vielleicht mit ein paar vornehmen, ledigen Frauen tanzen. In der glitzernden Menge des Hochadels wollte er als Ebenbürtiger angesehen werden, als einer von ihnen, als Mann. Nicht als genetische Peinlichkeit.
Aber das konnte er vergessen. In den Augen der Glymera war er nicht mehr als ein Tier, ebenso wenig tauglich für Sex mit einer der ihren wie ein Hund.
Ihm fehlte eigentlich nur noch ein Halsband, dachte er, als er sich zu Blay dematerialisierte.
4
Weiter östlich im Haus der Bruderschaft wartete Cormia in der Bibliothek auf den Primal und auf die Person, die ihr seiner Meinung nach Gesellschaft leisten sollte, wer auch immer das sein mochte. Während sie unruhig zwischen Sofa und Sessel hin und her wanderte, hörte sie die Brüder in der prächtigen Eingangshalle über ein großes Fest der Glymera sprechen.
Die Stimme von Bruder Rhage dröhnte bis zu ihr herüber. »Dieser Haufen von selbstsüchtigen, eingebildeten, aufgedonnerten – «
»Du könntest dich auch mal mehr um deine Garderobe kümmern«, fiel im Bruder Butch ins Wort. »Nimm dir ein Beispiel an mir.«
»… parasitischen, engstirnigen Pissern – «
»Nur keine Hemmungen. Lass alles raus, sonst kriegst du noch Magengeschwüre«, sagte ein anderer.
»… kann sich seinen beschissenen Ball in den Arsch schieben.«
Das Lachen des Königs klang sonor. »Gut, dass du kein Diplomat bist, Hollywood.«
»Au ja, schick mich doch als Abgesandten auf die Party. Oder noch besser: Wir lassen meine innere Bestie eine Nachricht überbringen. Dann kann sie den ganzen Verein mal so richtig auseinandernehmen. Würde ihnen recht geschehen, so, wie sie Marissa behandelt haben.«
»Weißt du«, erklärte Bruder Butch, »ich wusste schon immer, dass du gar nicht so blöd bist. Egal, was die anderen immer behaupten.«
Cormia blieb stehen, als der Primal im Eingang zur Bibliothek erschien, ein Glas Portwein in der Hand. Er war angezogen wie üblich beim Ersten Mahl, wenn er nicht gerade unterrichtete: perfekt sitzende Anzughose, heute cremefarben; ein Seidenhemd, schwarz wie immer; und einen schwarzen Gürtel, dessen Schnalle ein goldenes, gedehntes H bildete. Seine Schuhe mit
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