Black Dagger 11 - Blutlinien
flüssiger, hellgelber Energiestrahl unmittelbar über dem Toten aus. Die herabhängenden Kabel des Kronleuchters lenkten ihn genau in das Becken, das die offene Brust des Vampirs mit seinem öligen Handherz bot.
Der Körper explodierte. Arme und Beine flogen durch die Luft, die Brust blähte sich auf. Sofort warf sich der Meister wie eine zweite Haut über den jungen Mann, damit sein Fleisch nicht auseinanderflog wie ein geplatzter Reifen.
Als der Blitz sich wieder zurückzog, hing der Vampir frei schwebend in der Luft, seine Omega-Decke schimmerte in der Dunkelheit.
Die Zeit … blieb stehen.
Das merkte Mr D daran, dass die billige Kuckucksuhr an der Wand nicht mehr tickte. Vorübergehend gab es keine Aneinanderreihung von Augenblicken, nur ein unendliches Jetzt, während das, was ohne Atem gewesen war, seinen Weg zurück in das Leben fand, das es verloren hatte.
Besser gesagt: dessen es beraubt worden war.
Sanft sank der Vampir zurück auf den Tisch, Omega löste sich von ihm und nahm wieder Gestalt an. Flüsternde Geräusche kamen über die grauen Lippen des jungen Mannes, jeder Luftzug in die Lungen wurde von einem Pfeifen begleitet. Das Herz flatterte in der offenen Brusthöhle, fand dann einen Rhythmus und begann schließlich, vernünftig zu pumpen.
Mr D konzentrierte sich auf das Gesicht.
Die Todesbleiche wurde langsam von einem eigenartigen rosigen Schimmer abgelöst, wie ihn kleine Kinder hatten, wenn sie im Wind herumgetollt waren. Doch das hier hatte mit Gesundheit nichts zu tun. O nein. Das hier war eine Wiederbelebung.
»Komm zu mir, mein Sohn.« Omega machte eine Handbewegung über der Brust. Fleisch und Knochen schlossen sich wieder und verschweißten sich vom Nabel bis hin zur Naht an der Kehle. »Lebe für mich.«
Der Vampir fletschte die Fänge. Schlug die Augen auf. Und brüllte.
Qhuinn trieb nicht gemächlich zurück in seinen Körper. O nein. Als er vor der weißen Tür zurückwich und dann rannte wie ein Hase, kehrte das Leben auf der Erde im Schnelldurchlauf zu ihm zurück, sein Geist schlug in seiner Haut auf, als hätte ihm der Schleier persönlich einen allmächtigen Tritt in den Hintern verpasst.
Fremde Lippen pressten sich hart auf seinen Mund, Luft wurde in seine Lungen gedrückt. Dann hämmerte jemand auf seine Brust und zählte dabei mit. Es folgte eine kurze Pause, gefolgt von neuer Luft. An sich ein angenehmer Rhythmus: Atmen. Hämmern. Atmen. Atmen. Hämmern –
Qhuinns Körper bäumte sich mit einem Ruck auf, als wäre er gelangweilt von den Atemhilfen. Durch das krampfartige Zucken löste er sich von dem fremden Mund und holte ganz allein tief Luft.
»Gott, ich danke dir«, sagte Blay mit erstickter Stimme.
Qhuinn erhaschte einen kurzen Blick auf die weit aufgerissenen, tränenfeuchten Augen seines Freundes, dann rollte er sich auf der Seite zusammen. In flachen, keuchenden Zügen sog er Luft ein, spürte, wie sein Herz den Ball annahm und damit weiterdribbelte und aus eigenem Antrieb schlug. Er spürte ein kurzes »Hurra, ich lebe noch« -Hoch, dann allerdings traf ihn der Schmerz, überspülte ihn, ließ ihn sich zurück ins Jenseits wünschen. Sein Kreuz fühlte sich an, als hätte es jemand mit einem Zimmermannshammer bearbeitet.
»Los, tragen wir ihn ins Auto«, bellte Blay. »Er muss ins Krankenhaus.«
Qhuinn zwang mühsam ein Augenlid nach oben und sah an sich herab. John stand zu seinen Füßen und nickte mit dem Kopf wie ein Wackeldackel.
Aber nein … nein, dorthin durften sie ihn nicht bringen. Die Ehrengarde war noch nicht fertig mit ihm … Scheiße, sein eigener Bruder …
»Nicht … Krankenhaus«, ächzte Qhuinn.
Klappe, gab John zurück.
»Nicht ins Krankenhaus.« Mochte ja sein, dass sein Leben momentan nicht vielversprechend aussah, aber so eilig hatte er es auch wieder nicht, einen Exitus-Whopper mit Pommes zu bestellen. Blay beugte sich zu ihm herunter. »Dich hat ein Auto angefahren und Fahrerflucht begangen.«
»Kein … Auto.«
Blay verstummte kurz. »Was dann?« Qhuinn sah ihm nur in die Augen und wartete, bis er von selbst darauf kam. »Moment mal … war das etwa eine Ehrengarde? Hat Lashs Familie dir eine Ehrengarde auf den Hals gehetzt?«
»Nicht Lashs …«
»Deine eigene?«
Qhuinn nickte, weil seine geschwollenen Lippen zu bewegen einfach zu anstrengend war.
»Eine Ehrengarde soll eigentlich nicht töten.«
»Ach nee.«
Blay sah John an. »Wir können ihn nicht zu Havers bringen.«
Dann eben Jane, zeigte John. Dann
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