Black Dagger 11 - Blutlinien
hinzuweisen, dass es noch zu früh war, das Herz zu entfernen, da Omegas Blut zuerst in den Kreislauf eingespeist werden musste. Wobei ihm dann einfiel, dass der Vampir ja sowieso schon tot war, also war das ja wohl egal.
Das hier war eindeutig keine alltägliche Einführung in die Gesellschaft.
Mit der Fingerspitze öffnete Omega den Brustkorb der Leiche. Beim Geruch der brennenden Knochen rümpfte Mr D unwillkürlich die Nase. Daraufhin wurden die Rippen von unsichtbaren Händen, dem Willen des Meisters folgend, gespreizt und das reglose Herz freigelegt.
Omegas durchsichtige Finger drangen in den Herzbeutel ein. Mit leicht genervtem Gesichtsausdruck zupfte er den Muskel von den Arterien und Venen ab. Rotes Blut strömte auf die blasse Haut der Brust des Vampirs.
Mr D hielt die Kanope schon bereit, nahm den Deckel ab und hielt sie unter Omegas Hand. Flammen schlugen aus dem Herz empor, dann rieselte ein Aschestrahl in das Keramikgefäß.
»Hol die Eimer«, befahl Omega.
Mr D setzte den Deckel auf die Kanope und stellte sie in die Ecke, dann zog er vier rote Plastikeimer aus einer Tüte. Er stellte je einen unter Arme und Beine des Vampirs, während Omega um den Tisch herumlief und die Hand- und Fußgelenke aufschnitt, um den Körper auszubluten. Es war erstaunlich, wie schnell der Vampir an Farbe verlor, bis er jenseits von Weiß ein bläuliches Grau annahm.
»Jetzt das Messer mit dem Wellenschliff.«
Mr D mühte sich gar nicht erst mit der Schutzhülle ab; Omega schmorte sich einfach durch das Plastik, nahm dann das Messer in die eine und legte die freie andere Hand auf den Tisch. Er ballte seine Finger zur Faust und sägte dann sein eigenes Handgelenk durch. Es klang so laut, als arbeitete er sich durch uraltes Hartholz. Als er fertig war, gab er Mr D das Messer zurück, nahm seine Hand und legte sie in die leere Brusthöhle.
»Sei guten Mutes, mein Sohn«, flüsterte Omega, während schon eine neue Hand am Stumpf seines Unterarms erschien. »Schon bald wirst du mein Blut durch dich strömen fühlen.«
Damit zog Omega das andere Messer über sein neu gebildetes Handgelenk und hielt die Wunde über die schwarze Faust.
Mr D erinnerte sich noch gut an diesen Teil seiner eigenen Initiation. Er hatte geschrieen, und das nicht nur vor körperlichen Schmerzen. Er war hereingelegt worden. So was von reingelegt. Man hatte ihm etwas völlig anderes versprochen, als er bekommen hatte, und vor Schmerz und Entsetzen war er ohnmächtig geworden. Als er wieder zu sich kam, war er komplett verändert gewesen – ein lebender Toter, ein impotenter, wandelnder Körper, der Böses tat.
Er hatte gedacht, es wäre einfach eine Gang. Er hatte geglaubt, man würde ihn ein bisschen schikanieren, vielleicht
ein Brandmal aufdrücken, ein Zeichen, dass er jetzt dazugehörte.
Er wusste ja nicht, dass er aus der Nummer niemals wieder rauskäme. Oder dass er kein Mensch mehr wäre.
Das Ganze erinnerte ihn an einen Spruch, den seine Mama gern benutzt hatte: Wenn du dich mit einer Schlange einlässt, musst du damit rechnen, gebissen zu werden.
Urplötzlich war der Strom weg.
Omega trat zurück, und ein Brummen begann. Dieses Mal allerdings war es definitiv kein Schlaflied von Disney, sondern die Anrufung einer großen Macht, das unmittelbar bevorstehende Einbringen einer unsichtbaren Kraft. Immer lauter wurden die Vibrationen, das ganze Haus begann zu beben, Staub rieselte aus Sprüngen in der Decke, die Eimer tanzten auf dem Fußboden. Mr D dachte an die Leichen in der Küche und überlegte, ob sie wohl auch eine kesse Sohle aufs Parkett legten.
Gerade noch rechtzeitig hielt er sich die Ohren zu und zog den Kopf ein.
Ein Blitzschlag traf das Dach des Bauernhauses. Bei dem Lärm, den er veranstaltete, konnte das kein Querschläger oder Bruchstück sein.
O nein – das war kein Steinsplitter, der einem ins Auge flog; das hier war der komplette Felsbrocken, der mitten auf dem Schädel landete. Das Geräusch tat in den Ohren weh, Mr D zumindest, und die Wucht des Aufpralls war so gewaltig, dass er befürchtete, das ganze Haus könnte über ihnen zusammenbrechen. Omega brauchte sich darum ganz offensichtlich keine Sorgen zu machen. Er hielt einfach nur mit dem fanatischen Ausdruck eines Sonntagspredigers verzückt und hingerissen den Kopf hoch erhoben wie ein wahrhafter Gläubiger, der auf seine Strychnindosis und seine Klapperschlange wartet.
Der Blitz schlängelte sich durch die elektrischen Leitungen des Hauses und trat als
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