Black Dagger 13 - Racheengel
Lichter in dem Flur mit den Statuen brachten ihn zum Blinzeln, als hätte sich ein Bühnenscheinwerfer auf ihn gerichtet. Er musste sich erst wieder langsam daran gewöhnen... an alles.
Die marmornen Männer in ihren diversen Posen, die den Flur zu beiden Seiten flankierten, waren genau wie in seiner Erinnerung, so stark und anmutig und fest. Völlig ohne Zusammenhang fiel ihm ein, wie Darius eine nach der anderen erstanden hatte und eine Sammlung aufbaute. Damals, als D in Kauflaune gewesen war, hatte er Fritz zu Auktionen bei Sotheby’s und Christie’s in NewYork geschickt, und immer, wenn eines der Meisterwerke in einer Kiste geliefert wurde, eingewickelt in Stoff und gepolstert mit Styroporflocken, hatte der Bruder eine feierliche Enthüllung veranstaltet.
D hatte Kunst geliebt.
Tohr runzelte die Stirn. Wellsie und sein ungeborenes Kind würden immer der schlimmste und erste Verlust seines Lebens sein. Aber er hatte noch mehr Tode zu rächen, nicht wahr? Die Lesser hatten ihm nicht nur die Familie genommen, sondern auch seinen besten Freund.
Wut regte sich in seinem Bauch... und löste einen zweiten Hunger aus: nach Krieg.
Mit einer Entschlossenheit und Zielsicherheit, die vertraut und ungewohnt zugleich war, ging Tohr zur Freitreppe und hielt an der fast verschlossenen Tür des Arbeitszimmers
inne. Er konnte Wrath dahinter spüren, aber er wollte im Moment eigentlich niemanden sprechen.
Zumindest glaubte er das.
Aber warum hatte er dann nicht einfach in der Küche angerufen und sich etwas zu essen bestellt?
Tohr lugte durch den Spalt zwischen den Flügeltüren.
Wrath schlief an seinem Schreibtisch, sein langes, glänzendes Haar breitete sich über Papierkram, einen Unterarm hatte er als Kissen unter den Kopf geschoben. In der anderen Hand hielt er noch immer die Lupe, die er zum Lesen brauchte.
Tohr trat ein und sah sich um. Als sein Blick auf den Kamin fiel, sah er förmlich, wie sich Zsadist dagegen lehnte, mit ernstem, vernarbtem Gesicht, die Augen schwarz blitzend. Phury war ihm immer nahe gewesen, normalerweise lümmelte er auf dem zartblauen Sofa am Fenster. V und Butch hatten dazu tendiert, die dünnbeinige Couch zu vereinnahmen. Rhage wählte verschiedene Standpunkte, je nach Stimmung...
Tohr runzelte die Stirn, als er bemerkte, was neben Wraths Tisch stand.
Der hässliche avocadogrüne Sessel mit den abgewetzten Lederkissen... das war Tohrs Sessel. Der, den Wellsie wegschmeißen wollte, weil er hinüber war. Der, den er ins Büro im Trainingszentrum gehievt hatte.
»Wir haben ihn hierhergeholt, damit John zurück ins Haus kommt.«
Tohr riss den Kopf herum. Wrath hob den Kopf vom Arm, er klang so müde, wie er aussah.
Der König sprach langsam, als wolle er seinen Besucher nicht vertreiben. »Nach dem... was passiert ist, wollte John das Arbeitszimmer nicht mehr verlassen. Er weigerte sich, irgendwo anders als in diesem Sessel zu schlafen. Was für
ein Chaos... Er reagierte sich im Training ab. Verwickelte sich in Schlägereien. Schließlich habe ich auf den Tisch gehauen und dieses Monstrum hierher verfrachtet, und es wurde besser.« Wrath wandte sich dem Sessel zu. »Früher saß er immer hier und sah mir bei der Arbeit zu. Nach seiner Transition und den Überfällen im Sommer war er nachts natürlich als Kämpfer unterwegs und hat tagsüber geschlafen, also war er nicht mehr so viel hier. Ein bisschen vermisse ich ihn.«
Tohr winselte. Mit dem Jungen hatte er es wirklich vermasselt. Klar, er war nicht in der Verfassung gewesen, es anderes zu machen, aber John hatte ganz schön gelitten.
Litt immer noch.
Tohr schämte sich, als er daran dachte, wie er jeden Morgen in diesem Bett aufgewacht war und jeden Nachmittag, wenn John das Tablett hineinbrachte und bei ihm saß, während er aß – und dann blieb, als wüsste er, dass Tohr das meiste wieder auskotzte, sobald er allein war.
John hatte allein mit Wellsies Tod zurechtkommen müssen. Seine Transition allein durchlaufen. Wer weiß wie viele erste Male allein bewältigen müssen.
Tohr setzte sich auf die Couch von V und Butch. Das Ding fühlte sich überraschend robust an, robuster, als er es in Erinnerung hatte. Er legte die Hände auf die Kissen und drückte zu.
»Es wurde verstärkt, während du weg warst«, erklärte Wrath leise.
Ein langes Schweigen senkte sich über sie, als die Frage, die Wrath stellen wollte, so laut in der Luft hing wie der Widerhall von Glocken in einer kleinen Kapelle.
Tohr räusperte sich. Der
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