Black Dagger 13 - Racheengel
sein.
Natürlich hatte es auch seine Vorzüge, nichts zu fühlen. Wenn er zum Beispiel in ein paar Minuten den Kopf gegen das Lenkrad rammte, würde er nur Sternchen sehen. Ein brummender Schädel? Nicht bei ihm.
Die Behelfsklinik des Vampirvolks lag fünfzehn Minuten hinter der Brücke, auf die er gerade fuhr. Das Hospital genügte eigentlich den Anforderungen nicht, da es lediglich ein sicheres Haus war, das man in ein Feldspital verwandelt
hatte. Doch im Moment gab es nichts anderes als diesen Notbehelf – diesen Ersatzspieler, der nur dabei war, weil sich der Mittelstürmer das Bein gebrochen hatte.
Seit den Überfällen im Sommer suchte Wrath zusammen mit dem Arzt ihres Volkes nach einem neuen, dauerhaften Standort, aber wie alles andere brauchte auch dieses Vorhaben Zeit. Nachdem die Gesellschaft der Lesser so viele Häuser gestürmt hatte, wollte niemand Grundstücke nutzen, die Vampiren gehört hatten. Gott allein wusste, wie viele weitere Vampirhäuser der Gesellschaft bekannt waren. Der König sah sich nach einem neuen Ort um, den man erwerben konnte, doch es musste abgeschieden sein und...
Rehv dachte an Montrag.
War es wirklich schon so weit gekommen? Führte dieser Krieg zum Mord an Wrath?
Diese Frage, die den Wurzeln seiner mütterlichen Vampirseite entsprang, blitzte kurz in seinen Gedanken auf, brachte aber keinerlei Ressentiments mit sich. Seine Gedanken wurden von Berechnung bestimmt. Berechnung fern aller moralischer Bedenken. Die Entscheidung, die er bei Montrag getroffen hatte, geriet nicht ins Wanken, seine Entschlossenheit wuchs nur noch.
»Danke, gütigste Jungfrau der Schrift«, murmelte er, als ihm sein Vordermann endlich Platz machte und sich seine Ausfahrt wie ein Geschenk präsentierte, das reflektierende grüne Schild wie der Anhänger mit seinem Namen darauf.
Grün...?
Rehv sah sich um. Die rote Färbung verblasste langsam aus seiner Sicht, die anderen Farben drangen wieder durch den zweidimensionalen Nebel, und er atmete erleichtert auf. Er wollte nicht verstrahlt in der Klinik ankommen.
Wie auf Bestellung fing er an zu frösteln, obwohl im Bentley ohne Zweifel angenehme zwanzig Grad herrschten, und
er drehte die Heizung auf. Das Frösteln war ein weiteres, wenn auch unangenehmes, Zeichen dafür, dass die Medizin zu wirken begann.
Zeit seines Lebens hatte er verheimlichen müssen, was er war. Für Sündenfresser wie ihn gab es nur zwei Möglichkeiten: Entweder gingen sie als normal durch, oder sie wurden in den Norden in die Kolonie geschickt und wie Giftmüll, der sie ja auch waren, gesellschaftlich entsorgt. Dass er ein Mischling war, spielte dabei keine Rolle. Wenn man einen Symphathenanteil hatte, galt man als einer von ihnen, und das mit gutem Grund. Symphathen waren zu fasziniert von dem Bösen in ihnen, als dass man ihnen trauen konnte.
Himmel nochmal, heute Nacht war das beste Beispiel. Interessant, was er zu tun bereit war. Eine Unterhaltung, und er zog den Abzug – und nicht einmal, weil er musste, sondern nur, weil er es wollte. Oder es brauchte, um genau zu sein. Machtspiele waren wie die Luft zum Atmen für seine dunkle Seite, unbestreitbar vorhanden und kräftigend. Und die Motive waren typisch Symphath: Seine Entscheidung diente ihm und niemandem sonst, nicht einmal dem König, der in gewisser Weise sein Freund war.
Deshalb war jeder Vampir gesetzlich verpflichtet, Meldung zu erstatten, wenn er einen Sündenfresser bemerkte, der sich unter das Volk gemengt hatte, sonst hatte er ein Strafverfahren am Hals: Psychopathen gesondert zu verwahren und von moralgelenkten und gesetzestreuen Bürgern fernzuhalten, gehörte zum gesunden Überlebensinstinkt jeder Gesellschaft.
Zwanzig Minuten später hielt Rehv vor einem Eisentor, das in seiner Funktionalität industriellen Charme versprühte. Das Ding besaß keinerlei Anmut, nichts als kräftige Streben, verschweißt und mit einer Stacheldrahtspirale obendrauf. Links gab es eine Gegensprechanlage, und als
Rehv das Fenster herunterließ, um zu klingeln, richteten sich Überwachungskameras auf seinen Kühlergrill, die Windschutzscheibe und die Fahrertür.
Daher überraschte ihn der angespannte Tonfall der Frauenstimme nicht, die antwortete. »Entschuldigung... mir war nicht bekannt, dass Sie einen Termin haben?«
»Habe ich auch nicht.«
Pause. »Wenn es sich nicht um einen Notfall handelt, kann die Wartezeit bei einem unangemeldeten Besuch ziemlich lang dauern. Vielleicht wollen Sie ein andermal...«
Er funkelte
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