Black Dagger 13 - Racheengel
und seine Familie nicht kannte. Er war Zivilist, kein Adeliger, und er war mit seinem Cousin hier gewesen, der sich die Hand beim Holzspalten für den Kamin verletzt hatte. Während sie die Formulare ausfüllte, in denen stand, dass er auf eigene Verantwortung die Klinik verließ, hatte sie mit Stephan über die Sorte Dinge geredet, über die Singles eben so reden: Er mochte Radiohead. Sie auch. Sie mochte die indonesische Küche. Er auch. Er arbeitete als Programmierer in der Menschenwelt, dank elektronischer Kommunikation. Sie war Krankenschwester. Er wohnte zu Hause bei seinen Eltern, ein Einzelkind aus einer soliden zivilen Familie – oder zumindest klang es so, sein Vater arbeitete für vampirische Bauunternehmer, seine Mutter unterrichtete freiberuflich die Alte Sprache.
Sympathisch, normal. Vertrauenserweckend.
Bei dem, was die Aristokraten mit dem Kopf ihres Vaters angestellt hatten, erschienen Ehlena all diese Eigenschaften ziemlich positiv, und als Stephan vorschlug, dass man sich ja mal auf einen Kaffee treffen könnte, hatten sie sich auf heute Abend geeinigt und Handynummern getauscht.
Aber was sollte sie jetzt tun? Ihn anrufen und sagen, dass sie aus familiären Gründen nicht konnte? Trotzdem gehen und sich um ihren Vater sorgen?
Ein kurzer Anruf bei Lusie vom Mitarbeiterzimmer aus beruhigte sie jedoch: Ehlenas Vater hatte lange geschlafen und arbeitete nun ruhig an seinem Schreibtisch.
Eine halbe Stunde in einem 24-Stunden-Gafé. Sich vielleicht ein Rosinenbrötchen teilen. Was konnte das schaden?
Als sie endgültig entschied, zu gehen, war sie nicht begeistert über das Bild, das kurz vor ihrem inneren Auge aufblitzte. Rehvs nackte Brust mit den roten Sterntätowierungen
war kein geeigneter Gedanke für ein Date mit einem anderen Vampir.
Worauf sie sich jetzt konzentrieren musste, war das Ablegen der Arbeitskleidung, um wenigstens ein bisschen ansprechend auszusehen.
Als die Tagesbelegschaft langsam eintrudelte, und die Leute von der Nachtschicht gingen, zog sie sich den mitgebrachten Rock und den Pulli an -
Sie hatte die Schuhe vergessen.
Na prima. Weiße Kreppsohlen waren wirklich sexy.
»Stimmtwas nicht?«, wollte Catyawissen.
Ehlena drehte sich um. »Ruinieren diese zwei weißen U-Boote an meinen Füßen mein Aussehen komplett?«
»Ähm... ehrlich? Sie sind nicht so schlimm.«
»Du bist eine schlechte Lügnerin.«
»Ich habe es versucht.«
Ehlena packte ihre Schwesternkleidung in die Tasche, steckte das Haar noch einmal frisch zusammen und überprüfte ihr Make-up. Natürlich hatte sie auch noch Kajal und Wimperntusche vergessen, also war hier auch nichts mehr zu holen.
»Ich bin froh, dass du gehst«, meinte Catya, als sie den Dienstplan der Nacht vom Whiteboard wischte.
»Du bist meine Chefin. Es macht mich nervös, wenn du so etwas sagst. Solltest du nicht froh sein, wenn ich bei Schichtbeginn erscheine?«
»Nein, es geht nicht um die Arbeit. Ich bin froh, dass du heute noch ausgehst.«
Ehlena runzelte die Stirn und sah sich um. Wie durch ein Wunder waren sie allein. »Wer sagt, dass ich nicht heimgehe?«
»Für den Heimweg ziehen sich Frauen normalerweise nicht um. Und sie machen sich auch keine Sorgen, ob die
Schuhe nicht zum Rest ihrer Kleidung passen. Ich werde dich nicht fragen, wer er ist.«
»Da bin ich erleichtert.«
»Es sei denn, du erzählst es mir freiwillig?«
Ehlena lachte laut. »Nein, ich behalte es lieber für mich. Aber wenn etwas daraus wird... dann werde ich es dir erzählen.«
»Ich werde dich daran erinnern.« Catya ging zu ihrem Schließfach und starrte es einfach nur an.
»Alles okay bei dir?«, fragte Ehlena.
»Ich hasse diesen verdammten Krieg. Ich hasse es, dass Tote hier ankommen und man ihren Schmerz noch in den Gesichtern lesen kann.« Catya öffnete das Schließfach und holte ihren Parka heraus. »Entschuldige, ich wollte dich nicht runterziehen.«
Ehlena ging zu ihr und legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Ich weiß genau, wie du dich fühlst.«
Einen Moment lang standen sie sich schweigend gegenüber und blickten einander in die Augen. Und dann räusperte sich Catya.
»Okay jetzt aber los mit dir. Dein Rendezvous wartet auf dich.«
»Er holt mich hier ab.«
»Oh, vielleicht hänge ich dann noch ein bisschen hier rum und rauche draußen eine Zigarette.«
»Du rauchst nicht.«
»Verflixt, erwischt.«
Auf dem Weg nach draußen sah Ehlena am Empfangstresen nach, ob noch etwas für die Übergabe an die Morgenschicht zu
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