Black Dagger 17 - Vampirschwur
Kopf hängen und steckte sich eine kurze Haarsträhne hinters Ohr. »Oh, Manny … es gibt so vieles, was du nicht weißt.«
»Dann … erzähl es mir.« Als sie nichts erwiderte, wurde das Kreischen in seinem Kopf unerträglich laut. »Du erzählst es mir besser, denn ich habe es so gründlich satt, mir wie ein Bekloppter vorzukommen.«
Wieder herrschte langes Schweigen. »Ich bin gestorben, Manny, aber nicht in diesem Autowrack. Das war alles nur Show.«
Manny schnürte es die Kehle zu. »Wie bist du dann gestorben? «
»Ein Schuss. Ich wurde erschossen. Ich … starb in Vishous’ Armen.«
Okay, jetzt bekam er überhaupt keine Luft mehr. »Wer war es?«
»Seine Feinde.«
Manny rieb an seinem Kruzifix, und der gute Katholik in ihm sah in den Heiligen auf einmal so viel mehr als bloße Vorbilder für rechtschaffenes Verhalten.
»Ich bin nicht die, die du früher gekannt hast, Manny. In mehrfacher Hinsicht.« Ihre Stimme klang so traurig. »Ich lebe noch nicht einmal richtig. Deshalb bin ich nicht zurück zu dir gekommen. Es ging nicht um diese Vampir-Mensch-Geschichte … es lag daran, dass ich eigentlich gar nicht mehr hier bin.«
Manny blinzelte. Wie eine Kuh. Mehrfach.
Nun, ein Gutes hatte die Sache, wie er annahm. Herauszufinden, dass die frühere Leiterin der Unfallstation ein Geist war? Das war nichts als eine winzige Störung auf seinem Radar. Sein Verstand war zu oft verdreht worden, und wie bei einem ausgerenkten Gelenk hatte er jetzt absolute Bewegungsfreiheit.
Natürlich war seine Funktion im Eimer.
Aber wen interessierte das schon.
26
Allein streifte Vishous in der nächtlichen Innenstadt von Caldwell durch die finstere Gegend unter den Brücken der Stadt. Erst war er in seinem Penthouse gewesen, aber dort hatte er es nicht länger als zehn Minuten ausgehalten, und welch ein Hohn, dass all diese Glasfenster so beengend gewirkt hatten. Nachdem er sich von der Terrasse aus in die Luft gestürzt hatte, hatte er sich unten am Fluss wieder materialisiert. Die anderen Brüder würden in den Gassen nach Lessern Ausschau halten und gewiss auch welche finden, aber er konnte heute kein Publikum brauchen. Er wollte zwar durchaus kämpfen. Aber allein.
Zumindest redete er sich das ein.
Doch nach einer Stunde ziellosen Umherwanderns dämmerte ihm, dass er in Wirklichkeit keinen Faustkampf suchte. Er suchte eigentlich gar nichts.
Er war völlig leer, so leer, dass er sich fragte, wer eigentlich dafür verantwortlich war, dass er sich fortbewegte, denn er selbst hatte ganz bestimmt nichts damit zu tun.
Er blieb stehen, blickte auf die schlierige, stinkende Brühe des Hudson und lachte kalt und hart.
Im Laufe seines Lebens hatte er ein Wissen angehäuft, mit dem er der verdammten Library of Congress Konkurrenz machen konnte. Manches davon war nützlich, zum Beispiel wie man kämpfte, Waffen herstellte, wie man Informationen beschaffte und wie man sie geheim hielt. Und dann gab es Wissen, das war im täglichen Gebrauch relativ nutzlos, wie die molekulare Masse von Kohlenstoff, Einsteins Relativitätstheorie, Platos politischer Scheiß. Dann gab es noch Gedanken, über die er einmal nachsann und dann nie wieder, und das Gegenteil, Ideen, die er regelmäßig hervorkramte, um mit ihnen zu spielen wie mit einem Spielzeug, wenn ihm langweilig war. Und schließlich gab es Gedanken, die er einfach nie zuließ.
Zu diesen kognitiven Sonderposten zählte ein größerer Bereich des Kleinhirns, der nichts als eine Müllhalde für den ganzen Mist war, an den er nicht glaubte. Und da er sich selbst als Zyniker betrachtete, reihten sich dort haufenweise verrottende metaphorische Müllsäcke aneinander, vollgestopft mit Plattitüden: Väter sollen ihre Söhne lieben … Mütter sind ein Geschenk des Himmels … und bla, bla, bla.
Hätte es eine Umweltschutzbehörde für das Gedächtnis gegeben, dann wäre dieser Teil seines Hirns vorgeladen, mit einer Strafgebühr belegt und geschlossen worden.
Aber es war merkwürdig. Beim heutigen kleinen Spaziergang in dieser gottverlassenen Unterführung am Fluss wühlte er genau in dieser Deponie herum und zog etwas ausgerechnet aus diesem Haufen hervor: Gebundene Vampire sind nichts ohne ihre Shellans.
Wie bizarr. Er hatte immer gewusst, dass er Jane liebte, aber verschlossen, wie er nun einmal war, hatte er die Gefühle weggesperrt, ohne sich des Schlüssels in der sprichwörtlichen
Hand bewusst zu sein. Verdammt, selbst als sie nach ihrem Tod zu ihm zurückgekommen war
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