Black Dagger 17 - Vampirschwur
kippen konnte. Hilfe, allein die Vorstellung, dass jemand mit derlei Wertvorstellungen wählen gehen durfte, weckte in ihm erneut die Sehnsucht nach einer Glasscheibe zum Zertrümmern.
Menschen waren einfach erbärmlich.
Obwohl er vielleicht etwas von seinem hohen Ross kommen sollte, dachte er, als er sich wieder umdrehte, um das Publikum zu inspizieren. Er gab heute Nacht selbst eine ziemlich erbärmliche Gestalt ab. Insbesondere, als er zwei Männer in einem abgeschiedenen Eck sitzen sah. Das Einzige, was die beiden voneinander trennte, waren ihre Lederklamotten. Natürlich war der eine blond. Genau wie sein Cousin. Und unweigerlich quälte sich sein Geist mit den unmöglichsten Vorstellungen, was Blay und Saxton in diesem Moment gerade alles treiben könnten.
Nur dass es keine reinen Vorstellungen waren. Denn Morgen für Morgen erhoben sich Blay und Saxton vom Letzten Mahl am Tisch der Bruderschaft, wenn alle ihrer Wege gingen, und entfernten sich diskret in Richtung der großen Freitreppe, um in den Flur im ersten Stock zu verschwinden, der zu ihren Zimmern führte.
Sie hielten sich niemals an den Händen. Küssten sich nie vor den anderen. Warfen sich nicht einmal verstohlen heiße Blicke zu. Doch Blay war ein Gentleman. Und Saxton, dieser Schicki-Wichser, verstellte sich gut.
Sein Cousin war eine billige Schlampe …
Nein, ist er nicht, meldete sich eine leise Stimme. Du hasst ihn nur, weil er deinen Liebsten vögelt.
»Er ist nicht mein Liebster.«
»Was hast du gesagt?«
Qhuinn funkelte den Störenfried an – und war sogleich wieder versöhnt. Bingo, dachte er.
Neben ihm stand ein Mensch, etwa eins achtzig groß mit tollem Haar, einem hübschen Gesicht und sehr schönen Lippen. Er war nicht übermäßig Goth-artig gestylt, trug nur ein paar Ketten an der Hüfte und ein paar Ringe im Ohr. Aber die Haarfarbe war es, die Qhuinn vom Hocker haute.
»Nichts, ich habe mit mir selbst geredet.«
»Ach so. Mach ich auch oft.« Der Typ lächelte kurz und wandte sich dann wieder seinem Drink zu.
»Was trinkst du denn?«, erkundigte sich Qhuinn.
Ein halb leeres Glas wurde hochgehalten. »Wodka-Tonic. Ich kann diese Fruchtplörre nicht ausstehen.«
»Ich auch nicht. Ich trinke Tequila. Pur.«
»Patrón?«
»Niemals. Herradura.«
»Ah.« Der Typ drehte sich um und blickte in die Menge vor ihnen. »Du stehst auf den richtig guten Stoff.«
»Ganz genau.«
Qhuinn hätte sich am liebsten erkundigt, ob Mr Wodka-Tonic nun nach Mädchen oder Jungs Ausschau hielt, aber diese Frage legte er vorerst auf Eis. Mann, dieses Haar war wirklich fantastisch. Voll. An den Enden gelockt.
»Suchst du jemand Bestimmten?«, fragte Qhuinn leise.
»Vielleicht. Du?«
»Aber ja doch.«
Der Kerl lachte. »Jede Menge heiße Bräute hier. Du kannst dir eine aussuchen.«
Verdammte Scheiße, mal wieder typisch: ein Hetero. Andererseits würden sie vielleicht zusammen einen Aufriss machen können und dann weitersehen.
Der Rotschopf streckte Qhuinn die Hand hin. »Ich bin …«
Als sich die Blicke der beiden zum ersten Mal trafen, verstummte der Kerl, aber das war egal. Sein Name interessierte Qhuinn einen Dreck.
»Hast du zwei unterschiedliche Augen?«, fragte er leise.
»Ja.«
»Das ist … echt cool.«
Im Prinzip ja. Es sei denn, man war Vampir und gehörte der Glymera an. Dann galt es als körperlicher Defekt, der auf einen genetischen Makel hinwies, womit man eine Schande für die eigene Familie darstellte und absolut nicht zu vermitteln war.
»Danke«, sagte Qhuinn. »Was für eine Farbe haben deine?«
»Siehst du das nicht?«
Qhuinn tippte an die tätowierte Träne unter seinem Auge. »Farbenblind.«
»Ach so. Meine sind blau.«
»Und du hast rote Haare, stimmt’s?«
»Woher weißt du das?«
»Deine Haut. Du bist blass und hast Sommersprossen.«
»Wahnsinn.« Der Kerl blickte sich um. »Hier ist es dunkel – ich hätte nicht gedacht, dass man das sehen kann.«
»Schätze, ich kann das.« Und im Stillen fügte er hinzu: Wie wäre es, wenn ich dir noch ein paar von meinen anderen Tricks vorführe?
Qhuinns neuer Kumpel lächelte leicht und blickte wieder in die Menge. Nach einer Weile sagte er: »Warum schaust du mich so an?«
Weil ich dich ficken will. »Du erinnerst mich an jemanden. «
»An wen denn?«
»Jemand, den ich verloren habe.«
»Ach du Scheiße. Das tut mir leid.«
»Ist schon okay. Es war meine Schuld.«
Kleine Pause. »Dann bist du also schwul, was?«
»Nein.«
Der Kerl lachte.
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