Black Dagger 19 - Liebesmond
Womöglich habt Ihr vergessen, was mir der letzte Mann angetan hat – ich jedenfalls habe das nicht, das kann ich Euch versichern. Ob Ihr mir glauben wollt oder Euch lieber irgendwelchen Illusionen hingebt, liegt nicht an mir – und ist auch nicht mein Problem.«
Damit humpelte sie an ihm vorbei und wünschte sich ausnahmsweise einmal, ihr Bein wäre wieder gesund. Für den Stolz war ein aufrechter Gang wirklich besser.
Als sie den Vorraum erreichte, sah sie sich noch einmal nach ihm um. Er hatte sich nicht bewegt, also sprach sie zu seinen Schultern … und dem Namen seiner Shellan, der in seine Haut geritzt war. » Ich werde nie mehr in die Nähe dieses Wassers gehen. Weder mit noch ohne Kleidung.«
Als sie zur Tür hinkte, zitterte sie von Kopf bis Fuß, und erst als ihr die kalte Luft im Korridor entgegenschlug, fiel ihr auf, dass sie ihr Rollwägelchen, den Besen und ihr Unterkleid im Bad vergessen hatte.
Sie würde nicht umkehren, so viel stand fest.
In der Waschküche verschloss sie die Tür und lehnte sich an die Wand.
Auf einmal hatte sie das Gefühl, zu ersticken, und riss sich die Kapuze vom Kopf. Sie war tatsächlich erhitzt, und das nicht nur wegen des schweren Stoffs, der sie einhüllte. Ein Feuer war in ihrem Inneren entflammt und verbrannte sie wie Zunder, der heiße Rauch füllte ihre Lunge und schnürte ihr die Luft ab.
Es war unmöglich, den Vampir, den sie im Alten Land gekannt hatte, in dem jetzigen Tohr zu sehen. Der frühere Tohr war etwas tollpatschig gewesen, aber niemals verächtlich, eine gute, freundliche Seele, die sich auf irgendeine Weise bei den brutalen Einsätzen im Krieg hervortat – dabei aber nicht das Mitgefühl verlor.
Die jetzige Erscheinung hingegen war eine verbitterte Hülle.
Und sie hatte geglaubt, es könnte irgendwie von Nutzen sein, wenn sie sich um dieses Kleid kümmerte.
Eher würde es ihr wohl gelingen, dieses Haus kraft ihrer Gedanken zu versetzen.
Nachdem No’One beleidigt abgezogen war, sann Tohr darüber nach, dass er abgesehen von aufgeschlitzten Füßen und Händen doch einiges mit John Matthew gemeinsam hatte: Dank akuter Gereiztheit trugen sie nun beide das Oberarschloch-Kostüm – das ohne Aufpreis zusammen mit dem Umhang der Schmach, Stiefeln der Peinlichkeit und den Schlüsseln zum Trampel-Mobil geliefert wurde.
Himmel, was hatte er da bloß gesagt?
Womöglich habt Ihr vergessen, was mir der letzte Mann angetan hat, ich jedenfalls habe das nicht.
Stöhnend kniff er sich ins Nasenbein. Wie konnte er auch nur eine Sekunde lang denken, diese Frau könnte sich irgendwie erotisch zu einem Kerl hingezogen fühlen?
» Weil du gedacht hast, sie fände dich anziehend, und da ist dir der Arsch auf Grundeis gegangen.«
Tohr schloss die Augen. » Nicht jetzt, Lassiter.«
Aber natürlich ignorierte dieser gefallene Engel das verbale polizeiliche Absperrband. Der blond-schwarzhaarige Idiot setzte sich auf eine der Bänke, stützte die Ellbogen auf die Knie seiner Lederhose und blickte ihn ernst mit seinen merkwürdigen weißen Augen an.
» Wir beide müssen uns unterhalten.«
» Über meine soziale Kompetenz?« Tohr schüttelte den Kopf. » Nimm’s mir nicht übel, aber da würde ich eher bei Rhage Rat einholen – und das will was heißen.«
» Hast du je vom Zwischenreich gehört?«
Tohr drehte sich hoppelnd auf seinem gesunden Fuß herum. » Du meinst, dort, wo sich die Geister und die Feen tummeln? Danke, nein, kein Interesse.«
» Es ist ein sehr realer Ort.«
» Das Gleiche gilt für Cleveland. Oder Detroit. Und die können mir auch gestohlen bleiben.«
» Aber deine Wellsie ist dort.«
Tohrs Herz setzte einen Schlag lang aus. » Wovon, zur Hölle, redest du?«
» Sie ist nicht in den Schleier eingetreten.«
Okay, in Ordnung, vielleicht war dies der Moment für ein kerniges » Was redest du da für einen Scheiß?«, aber Tohr konnte nichts weiter tun als den Engel einfach nur anstarren.
» Sie ist nicht dort, wo du sie vermutest«, sprach der Engel leise.
Mit trockenem Mund brachte Tohr mühsam hervor: » Du sagst, sie ist in der Hölle? Denn eine dritte Möglichkeit gibt es nicht.«
» Nein, ist sie nicht.«
Tohr holte tief Luft. » Meine Shellan war eine Frau von Wert, und sie ist in den Schleier eingetreten – es gibt keinen Grund, warum sie im Dhunhd sein sollte. Was mich betrifft, so habe ich für heute Nacht genug Leute angeschnauzt. Also werde ich durch diese Tür da gehen« – erklärend zeigte er in Richtung Vorraum
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