Black Dagger 19 - Liebesmond
seine Pupillen geweitet, doch er wusste, dass sie blau waren.
» Was kann ich tun …?«, stöhnte der Bruder.
Oh Mann, Lassiter ertrug das nicht.
Ruckartig stand er auf und trat ans Fenster. Der Garten war schwach beleuchtet und die Beete alles andere als prächtig in ihrem derzeitigen Wachstumsstand. Der Frühling war ein kalter, grausamer Brutkasten, und bis zu den lauen Sommernächten war es noch Monate hin.
Eine Ewigkeit.
» Du hilfst mir, ihr zu helfen«, sagte Tohr heiser. » Das hast du gesagt.«
Schweigen breitete sich aus. Lassiter war komplett leer. Er hatte keine Stimme. Nicht einmal einen Gedanken.
Und das, obwohl er sich dringend etwas aus den Fingern saugen musste, wollte er nicht zurück in seine eigene maßgeschneiderte Hölle, ohne Hoffnung auf ein Entrinnen. Wellsie und ihr Kind steckten in ihrer Hölle fest. Und Tohr in seiner.
Was war er doch arrogant gewesen.
Es war ihm nie in den Sinn gekommen, dass die Sache schiefgehen könnte. Als er angesprochen wurde, hatte er leichtfertig und zuversichtlich reagiert und einzig an den Ertrag gedacht – nämlich daran, dass er frei sein würde.
Ein Kampf war ihm nie in den Sinn gekommen. Und an die Möglichkeit eines Fehlschlags hätte er nicht im Traum gedacht.
Außerdem hatte er nicht erwartet, dass er sich einmal ernsthaft für das Schicksal von Wellsie und Tohr interessieren würde.
» Du sagtest, du sollst mir helfen, ihr zu helfen.« Als der Engel nicht antwortete, senkte Tohr die Stimme. » Lassiter, ich knie hier vor dir.«
» Das liegt allein daran, dass deine Eier in deinem Zwerchfell stecken.«
» Du hast gesagt …«
» Aber du glaubst mir doch nicht, schon vergessen?«
» Ich habe es selbst gesehen. In den Büchern auf der Anderen Seite. Sie ist nicht im Schleier.«
Lassiter starrte hinaus in die Gärten und staunte, wie kurz vor dem Erwachen sie standen – obwohl sie kahl und verdorrt aussahen, würden sie bald explodieren und den Frühling einläuten.
» Sie ist nicht im Schleier!«
Er wurde gepackt, herumgewirbelt und mit dem Hintern voraus gegen die Wand gerammt, mit einer Wucht, dass seine Flügel gebrochen wären, hätte er sie getragen.
» Sie ist nicht dort!«
Tohrs Gesicht war verzerrt, und als er die Hand um seinen Hals schloss, sah Lassiter einen Moment ganz klar. Der Bruder konnte ihn töten, hier und jetzt.
Vielleicht gelangte er auf diese Weise zurück ins Zwischenreich. Ein paar Kopfnüsse, dann vielleicht ein gebrochenes Genick, und Rumms! Verloren. Hallo, endloses Nichts.
Komisch, er hatte nie einen Gedanken an eine mögliche Rückkehr verschwendet. Wahrscheinlich hätte er das tun sollen.
» Du machst jetzt besser deinen verdammten Mund auf, Engel«, knurrte Tohr.
Lassiter studierte dieses Gesicht erneut, ermaß die Kraft in seinem Gegenüber, schätzte die Intensität seiner Wut ab. » Du liebst sie zu sehr.«
» Sie ist meine Shellan …«
» War. Verdammt, sie war deine Shellan.«
Einen Augenblick lang herrschte Stille. Dann tat es einen Schlag, und Lassiter erlebte ein Feuerwerk von Schmerz. Seine Knie sackten etwas ein – nicht, dass er sich das eingestanden hätte.
Dieser Wichser hatte ihm eine gescheuert.
Lassiter stieß den Kerl von sich, spuckte Blut auf den Teppich und überlegte, ob er zurückschlagen sollte. Aber Scheiß aufs Kämpfen. Wenn der Schöpfer ihn zurückhaben wollte, dann musste er ihn sich schon selbst holen. Tohr würde ihn nicht per Luftpost zu ihm schicken.
Zeit, sich vom Acker zu machen.
Er ging zur Tür und ignorierte die gemurmelten Flüche hinter sich. Vor allem, weil er erst mal prüfen musste, ob nicht eines seiner Augen am Sehnerv aus der Höhle baumelte.
» Lassiter, Scheiße, Lassiter – es tut mir leid.«
Der Engel wirbelte herum. » Willst du wissen, was das Problem ist?« Er deutete auf Tohrs Gesicht. » Du bist das Problem. Es tut mir leid, dass du deine Shellan verloren hast. Dass du immer noch an Selbstmord denkst. Dass du nichts hast, wofür sich das Aufstehen lohnt – oder das Zubettgehen. Dass du ein Furunkel am Hintern hast und ein Loch im Zahn und was auch immer. Du bist am Leben. Sie ist es nicht. Und weil du die Vergangenheit nicht loslassen kannst, steckt ihr beide in einem Zwischenreich.«
Er holte Luft und baute sich vor Tohr auf. » Du willst das Kleingedruckte hören? Gut, hier hast du es: Sie verblasst – sie kommt nicht in den Schleier. Und schuld daran bist du. Das alles« – er zeigte auf den abgemagerten Körper und den
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